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Veröffentlicht am 23.06.2014, 20:51

Börsen-Zeitung: Neues Rollenmodell, Kommentar zur Beteiligung

Frankreichs an Alstom von Michael Flämig

Frankfurt (ots) - Die Karten im Poker um Alstom liegen auf dem

Tisch. Das Spiel ist allerdings mit der Offenlegung, anders als in

der Kasino-Variante, noch lange nicht entschieden. General Electric

wird erst zum Gewinner, wenn die vielfachen Tücken der Integration

gemeistert sind. Siemens ihrerseits materialisiert sich als Verlierer

dann, wenn in der veränderten Wettbewerbssituation keine neuen

Trümpfe gefunden werden. So weit, so üblich nach solchen Schlachten.

Bemerkenswert an der aktuellen Poker-Konstellation ist ein anderer

Aspekt: Quasi als "Royal Flush" hat die französische Regierung am

Ende ihre 20-%-Beteiligung an Alstom auf den Tisch gelegt. Wie ist

das zu bewerten?

Typisch Frankreich, mag eine Reaktion lauten. Tatsächlich ist die

Regierung auch in der Vergangenheit vor kaum einem Eingriff

zurückgeschreckt. Jede Menge Branchen werden im Élysée-Palast als so

wichtig eingestuft, dass Übernahmeversuche abgeblockt wurden. Zudem

unterstützt Paris klamme Firmen mit Steuergeld, um Arbeitsplätze zu

erhalten. Die Liste entsprechender Interventionen reicht von PSA über

Danone bis Suez.

Nicht nur Siemens musste dabei erleben, dass die Politiker im

Notfall lieber amerikanische Unternehmen als Käufer akzeptieren. Die

Mehrländerbörse Euronext wurde einst der Deutschen Börse im letzten

Moment zugunsten eines US-Marktbetreibers entrissen. Typisch

Frankreich ist auch, die Staatsbeteiligung quasi aus dem Ärmel zu

ziehen. Die Spielweise während des Alstom-Pokers darf deswegen als

unorthodox bezeichnet werden; viele andere Gründe sind darüber hinaus

zu nennen. Es ist dreist, sich kurzfristig per Dekret

Mitspracherechte bei M&A zu verschaffen. Auch die Durchstecherei

vertraulicher Infos erlebt man in dieser Konsequenz selten. Regeln

scheinen aus französischer Perspektive nur für alle anderen

Beteiligten zu gelten.

Die Einordnung als "typisch Frankreich" greift dennoch zu kurz.

Denn die implizite Folgerung lautet: Nur Frankreich pflegt diese

Tradition in derart drastischer Ausprägung, also wird das Phänomen

auf das Land beschränkt bleiben. Diese Analyse mag früher berechtigt

gewesen sein. Für die Zukunft dagegen gilt: Der Fall Alstom wird sich

zu einem Rollenmodell für Europa entwickelt. Hierfür gibt es drei

Gründe.

Erstens: Der Zeitgeist hat sich geändert. Bis zur Finanzkrise

bestand weit über neoliberale Kreise hinaus der Konsens, dass der

Staat sich aus Firmen zurückzuziehen hat. Die Liberalisierung

beispielsweise der Telekomanbieter oder Energieversorger ist die

Frucht dieses Denkens, die Kunden haben die Ernte eingefahren in Form

sinkender Preise.

Infolge der Schulden- und Euro-Krise aber hat sich ein neuer

Konsens herausgebildet aufbauend auf der Überzeugung, dass die

Wirtschaft dem Bürger zu dienen hat: Wenn Unternehmen ihrer

gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden, dann muss der

Staat das Allgemeininteresse forciert sichern. Die Regulierung der

Finanzbranche, kombiniert mit staatlichem Eigentum, ist eine

Konsequenz dieses Ansatzes. Schließlich gehört zum Kern der

Gesellschaft, dass Banken stabil bleiben und somit die Firmen

finanzieren können. Ein weiteres Beispiel ist der Telekomsektor. Dort

wird die Option ausländischer Eigentümerschaft - wie in Holland in

der Diskussion - mit Blick auf Sicherheitsaspekte beschränkt werden.

Was aber ist das wichtigste gesellschaftliche Produkt, das

Industrieunternehmen bereitstellen? Es sind Arbeitsplätze. Wenn

dieser Beitrag in Gefahr gerät, dann wird der Zeitgeist staatliche

Einstiege bei Firmen europaweit eher fordern als blockieren.

Diese Stimmung trifft, und das ist der zweite Treiber, auf eine

veränderte Ökonomie. Europa stagniert auf hohem Niveau. In der

westlichen Welt dagegen locken die Vereinigten Staaten mit niedrigen

Preisen die Industrieunternehmen an, und in Asien boomt China. Dies

bedeutet: Europäische Firmen werden verstärkt zum Übernahmeziel.

Regierungen werden nationale Interessen wahren wollen, auch durch

direkte Beteiligungen.

Drittens: Die Welt macht europäischen Bürgern vor, dass

Interventionismus funktioniert. In China expandieren Staatsfirmen

plangerecht, russische Unternehmen feiern mit Moskauer Hilfe manchen

Erfolg und auch in Brasilien mischt die Regierung mit. Bei genauerem

Hinschauen mag es Ineffizienzen zuhauf geben, doch öffentlich wird

die Wachstumsstory wahrgenommen.

Das neue Rollenmodell wird sich keinesfalls schlagartig, sondern

schrittweise etablieren. Widerstände, nicht zuletzt in Brüssel,

müssen abgeschliffen werden. Doch steter Tropfen höhlt den Stein. Wie

ist das aufkommende Modell zu bewerten?

Der Staat ist und bleibt der schlechtere Eigentümer, das zeigen

Geschichte und Gegenwart. Bei Alstom allerdings nimmt Paris die Zügel

gar nicht in die Hand, sondern überlässt sie General Electric. Die

Politik beschränkt sich auf eine Minderheit und erobert damit "nur"

ein Vetorecht - es wird das Prinzip der Goldenen Aktie wiederbelebt.

Das ist nicht die reine ordnungspolitische Lehre. Aber die Realität

ist eben manchmal komplexer. Entscheidend ist im Einzelfall, ob die

Politik reif genug ist, auf Gekungel im Hinterzimmer zu verzichten

und - wie ein stabiler Ankeraktionär aus der Privatwirtschaft - nur

in grundsätzlichen strategischen Fragen ihre Sichtweise einzubringen.

Zweifellos haben europäische Regierungen bei Corporate Governance

dazugelernt. Aber die divergierende Rationalität der Systeme Politik

und Wirtschaft stimmt dennoch skeptisch.

Welche Konsequenzen sollten Unternehmen ziehen? Sie müssen ihre

gesellschaftliche Rolle viel stärker als in den vergangenen 30 Jahren

definieren und kommunizieren. Dies ist das beste Rezept gegen

staatlichen Interventionismus.

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