Bürokratieparadies Deutschland? / Deloitte-Studie zum internationalen
Vergleich von Steuererhebungsverfahren zeigt: Große Koalition nicht
ambitioniert
München/Düsseldorf (ots) - Beschwerden über eine aufwändige und
komplizierte Erhebungspraxis in Deutschland sind nichts
Ungewöhnliches - aber teilweise unbegründet. Das geht aus der
'Comparative Study of the personal Income Tax Return Process' von
Deloitte hervor, die insgesamt 34 Länder miteinander vergleicht. Der
deutsche Fiskus zeigt sich bei der Gestaltung der
Einkommensteuererklärung gegenüber dem steuerpflichtigen Bürger recht
wohlgesonnen - jedenfalls im Vergleich zu anderen Ländern. Bewegen
sich deutsche Regelungen und Praktiken in vielen Aspekten im
internationalen Mittelfeld, so hinkt das Land bei der von der Großen
Koalition angestrebten vorausgefüllten Steuerformularen den meisten
anderen Staaten hinterher. Dagegen scheint das Ausfüllen der
Einkommensteuererklärung weder allzu kompliziert noch übermäßig viel
Zeit in Anspruch zu nehmen. Zudem können sich die meisten
Steuerzahler über eine Rückzahlung freuen.
'In Deutschland herrscht das Klischee, dass die Finanzbehörden den
Bürger mit besonders komplexen Erklärungspflichten strapazieren. Im
internationalen Vergleich zeigt sich aber schnell, dass es noch
schlimmer geht - jedenfalls in puncto Ausfüllen einer privaten
Einkommensteuererklärung', erklärt Christoph Röper, Partner und
Leiter Tax & Legal bei Deloitte.
Elektronisches Formular auf dem Vormarsch
Die traditionellen Steuerformulare aus Papier haben vielerorts
ausgedient und werden von elektronischen Formularen ersetzt. Jedoch
haben die Steuerpflichtigen in vielen Ländern die Wahl zwischen
Papier und Bildschirm. Lediglich in Österreich, Brasilien, Italien,
Mexiko, den Niederlanden und den USA ist das elektronische System
obligatorisch - Deutschland ermöglicht mit ELSTER eine elektronische
Steuererklärung, aber auch hier können Privatpersonen wählen.
Ein weniger präsentes Thema ist die vorausgefüllte
Steuererklärung: Im Vergleich zu den meisten anderen Ländern zeigt
sich der deutsche Fiskus hier wenig serviceorientiert. Zwar plant die
aktuelle Regierung einen entsprechenden Vorstoß, der jedoch
angesichts der Tatsache, dass über die Hälfte der untersuchten Länder
bereits vorausgefüllte Formulare anbieten, eine späte Reaktion
darstellt. Besonders weit gehen die Niederlande und Schweden: Sie
füllen fast sämtliche Felder im Vorfeld aus - mit der Ausnahme
sensibler Daten wie etwa Kontoverbindungen.
Bierdeckel nicht in Sicht
Die 'Steuererklärung auf einem Bierdeckel' findet sich tatsächlich
nur annähernd in China wieder. Deutschland steht hier im oberen
Mittelfeld, wie auch Dänemark, Großbritannien oder die Niederlande.
Deutlich mehr Felder weisen hingegen belgische, schweizerische und
spanische Formulare auf. Entsprechend ist der Zeitaufwand, den
deutsche Steuerzahler für das Ausfüllen aufbringen: Mit
durchschnittlich zwei bis fünf Stunden ist er zwar keinesfalls
gering, aber immer noch kürzer als beispielsweise in Südkorea und
Russland mit weit über fünf Stunden.
Die Deutschen empfinden das Ausfüllen als mühsam, den
Schwierigkeitsgrad aber nicht zu hoch. Und anders als in Österreich
oder Italien verzichten sie überwiegend auf die Hilfe eines
Steuerberaters. Dass es aber auch müheloser geht, zeigt die Tatsache,
dass die Befragten in immerhin fast 60 Prozent der anderen Länder
keine besondere Belastung in der Steuererklärung sehen - das trifft
unter anderem nicht auf Frankreich, Luxemburg, die Niederlande,
Belgien oder Österreich zu.
Aufwand im Namen der Gerechtigkeit
Das deutsche Steuersystem gilt unter anderem auch deshalb als
kompliziert, weil es viele Ausnahmen und Sonderregelungen kennt -
persönliche Umstände werden berücksichtigt. Das ist jedoch in den
meisten untersuchten Länder nicht anders - mit Ausnahme von China,
Australien und der Slowakei. Dabei bevorzugen die Deutschen den Abzug
tatsächlicher Aufwendungen anstelle einer Pauschale. Letztere wird
allerdings insgesamt mehrheitlich bevorzugt, unter anderem von
Belgiern und Franzosen.
Hoffnung auf Geld vom Fiskus
In Deutschland erwarten die meisten Bürger wie in 30 Prozent der
anderen Länder eine Erstattung. In Frankreich oder Italien ist das
Gegenteil der Fall, während Niederländer oder Briten weder auf eine
Erstattung hoffen noch eine Nachzahlung fürchten. Erstattung wie auch
Nachzahlung werden in Deutschland verzinst - international eher die
Ausnahme.
'Anders, als das Vorurteil es will, ist Deutschland weder das
Paradies für Finanzbürokraten noch die Hölle für brave Bürger. Was
die Komplexität anbetrifft, hält es sich im Mittelfeld aller
untersuchten Länder. Wichtiger jedoch ist die Erkenntnis, dass der
deutsche Fiskus dem Steuerzahler entgegenkommen möchte. Lediglich bei
vorausgefüllten Formularen ist noch viel Luft nach oben', resümiert
Christoph Röper.
Die Zusammenfassung der deutschen Ergebnisse und den kompletten
Report finden Sie unter http://ots.de/FmgmD zum Download
Ende
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