Börsen-Zeitung: Enttäuschende Notenbanken, Marktkommentar von Georg
Blaha
Frankfurt (ots) - Der Gedanke an eine konzertierte Aktion ist
naheliegend: Vier Notenbanken haben am Donnerstag ihre Geldpolitik
gelockert. Die Bank of England und die People's Bank of China
verkündeten fast zeitgleich ihre Maßnahmen. Im Reich der Mitte wurden
die Zinsen gesenkt - das zweite Mal innerhalb weniger Wochen.
Großbritanniens Zentralbank vergrößerte ihr Anleiheprogramm um 50
Mrd. auf 375 Mrd. Pfund. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte die
Leitzinsen der Währungsunion auf historische Tiefs. Und nach der EZB
reduzierte auch Dänemarks Notenbank die Zinsen - für die globalen
Märkte weniger bedeutend, aufgrund des negativen Satzes für
Übernachteinlagen dennoch bemerkenswert.
Auch wenn die Aktionen der Zentralinstitute nicht aufeinander
abgestimmt waren, hätte solch ein Reigen an geldpolitischer Lockerung
weltweit ein Kursfeuerwerk an den Märkten für Risikoassets wie
Rohstoffen oder Aktien auslösen müssen, zumal nicht jeder dieser
Schritte erwartet worden war. Besonders China hatte den
Überraschungseffekt auf seiner Seite. Stattdessen waren Kursverluste
zu verzeichnen, die sich zum Wochenschluss noch fortsetzten und
zusätzlich verstärkten, nachdem der monatliche US-Arbeitsmarktbericht
abermals enttäuschte und Sorgen um eine Wachstumsschwäche der
weltgrößten Volkswirtschaft weckte.
Es sieht nun zunehmend danach aus, als hätte im Jahr sechs der
Finanzkrise eine neue Marktphase begonnen. Die Zeiten, in denen
Zentralbanken als Retter in der Not auftraten und die Märkte aus
ihrer größten Not herauspaukten, dürften vorbei sein. Bislang war
dieser Mechanismus erfolgreich, ganz gleich, ob es um die Stützung
von US-Instituten 2008 ging oder um Notenbankhilfen für angeschlagene
Euro-Mitgliedsstaaten 2010ff. Doch dieses Muster hat sich ganz
offensichtlich abgenutzt.
Zum einen liegt dies daran, dass nun auch die Märkte mehr als
zuvor der Ansicht sind, dass der Ball im Feld der Politik liegt, was
die Bewältigung von Banken- und Staatsschuldenkrisen angeht. Die
Kursgewinne der Aktienmärkte nach dem EU-Gipfel vom Wochenende sind
Ausdruck dieser Einschätzung. Nun geht die Befürchtung um, dass die
Zentralbanken - zumindest die der großen Industriestaaten - ihr
Pulver schon weitgehend verschossen haben könnten. Besonders unnötig
erscheint die Zinssenkung der EZB. Die Währungshüter schränkten damit
ihren Spielraum vorzeitig ein. Zudem setzen sie über sinkende
Geldmarktsätze die Gemeinschaftswährung unter Druck und liefern
möglicherweise den Auftakt zu einem neuen Abwertungswettlauf mit der
US-Notenbank Federal Reserve.
Angst vor 'Japanisierung'
Angesichts von Niedrig- bzw. Nullzinsen in den großen
Industriestaaten geht schon das Gespenst einer 'Japanisierung' der
globalen Märkte und Wirtschaft um. Japan versucht schon seit gut
einem Jahrzehnt, seine Wirtschaft mit Niedrigzinsen und immer
größeren Anleihekäufen durch die Zentralbank wieder in Schwung zu
bekommen, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg für Konjunktur oder Märkte.
Das Land ist geradezu eine Fallstudie für den schnell abnehmenden
Grenznutzen zusätzlicher Notenbankmaßnahmen. Der andere Grund, warum
ein Kursfeuerwerk trotz hektisch tätiger Notenbanker ausgeblieben
ist, liegt in den zahlreichen globalen Risiken, insbesondere im
Euroraum. Probleme in Griechenland, dem schwächsten Glied der Kette,
können jederzeit und mit jedem Bericht der das Land beratenden Troika
neu hervortreten. Risiken für die Märkte gibt es auch aus
Deutschland, dem stärksten Land der Währungsunion. Am Dienstag
entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob der EU-Fiskalpakt und
der dauerhafte Euro-Rettungsmechanismus ESM verfassungsgemäß sind.
Marktstrategen zufolge sind die Risiken, dass sich ein Start des ESM
aufgrund deutscher Bedenken verzögert, noch nicht in den Kursen
eingepreist. Sollte dieser Fall eintreten, ist es zweifelhaft, ob die
großen Zentralbanken den Marktverwerfungen, die sich aus
fortgesetzter europäischer Un-Einheit ergeben, wirkungsvoll begegnen
können.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Blaha
Frankfurt (ots) - Der Gedanke an eine konzertierte Aktion ist
naheliegend: Vier Notenbanken haben am Donnerstag ihre Geldpolitik
gelockert. Die Bank of England und die People's Bank of China
verkündeten fast zeitgleich ihre Maßnahmen. Im Reich der Mitte wurden
die Zinsen gesenkt - das zweite Mal innerhalb weniger Wochen.
Großbritanniens Zentralbank vergrößerte ihr Anleiheprogramm um 50
Mrd. auf 375 Mrd. Pfund. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte die
Leitzinsen der Währungsunion auf historische Tiefs. Und nach der EZB
reduzierte auch Dänemarks Notenbank die Zinsen - für die globalen
Märkte weniger bedeutend, aufgrund des negativen Satzes für
Übernachteinlagen dennoch bemerkenswert.
Auch wenn die Aktionen der Zentralinstitute nicht aufeinander
abgestimmt waren, hätte solch ein Reigen an geldpolitischer Lockerung
weltweit ein Kursfeuerwerk an den Märkten für Risikoassets wie
Rohstoffen oder Aktien auslösen müssen, zumal nicht jeder dieser
Schritte erwartet worden war. Besonders China hatte den
Überraschungseffekt auf seiner Seite. Stattdessen waren Kursverluste
zu verzeichnen, die sich zum Wochenschluss noch fortsetzten und
zusätzlich verstärkten, nachdem der monatliche US-Arbeitsmarktbericht
abermals enttäuschte und Sorgen um eine Wachstumsschwäche der
weltgrößten Volkswirtschaft weckte.
Es sieht nun zunehmend danach aus, als hätte im Jahr sechs der
Finanzkrise eine neue Marktphase begonnen. Die Zeiten, in denen
Zentralbanken als Retter in der Not auftraten und die Märkte aus
ihrer größten Not herauspaukten, dürften vorbei sein. Bislang war
dieser Mechanismus erfolgreich, ganz gleich, ob es um die Stützung
von US-Instituten 2008 ging oder um Notenbankhilfen für angeschlagene
Euro-Mitgliedsstaaten 2010ff. Doch dieses Muster hat sich ganz
offensichtlich abgenutzt.
Zum einen liegt dies daran, dass nun auch die Märkte mehr als
zuvor der Ansicht sind, dass der Ball im Feld der Politik liegt, was
die Bewältigung von Banken- und Staatsschuldenkrisen angeht. Die
Kursgewinne der Aktienmärkte nach dem EU-Gipfel vom Wochenende sind
Ausdruck dieser Einschätzung. Nun geht die Befürchtung um, dass die
Zentralbanken - zumindest die der großen Industriestaaten - ihr
Pulver schon weitgehend verschossen haben könnten. Besonders unnötig
erscheint die Zinssenkung der EZB. Die Währungshüter schränkten damit
ihren Spielraum vorzeitig ein. Zudem setzen sie über sinkende
Geldmarktsätze die Gemeinschaftswährung unter Druck und liefern
möglicherweise den Auftakt zu einem neuen Abwertungswettlauf mit der
US-Notenbank Federal Reserve.
Angst vor 'Japanisierung'
Angesichts von Niedrig- bzw. Nullzinsen in den großen
Industriestaaten geht schon das Gespenst einer 'Japanisierung' der
globalen Märkte und Wirtschaft um. Japan versucht schon seit gut
einem Jahrzehnt, seine Wirtschaft mit Niedrigzinsen und immer
größeren Anleihekäufen durch die Zentralbank wieder in Schwung zu
bekommen, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg für Konjunktur oder Märkte.
Das Land ist geradezu eine Fallstudie für den schnell abnehmenden
Grenznutzen zusätzlicher Notenbankmaßnahmen. Der andere Grund, warum
ein Kursfeuerwerk trotz hektisch tätiger Notenbanker ausgeblieben
ist, liegt in den zahlreichen globalen Risiken, insbesondere im
Euroraum. Probleme in Griechenland, dem schwächsten Glied der Kette,
können jederzeit und mit jedem Bericht der das Land beratenden Troika
neu hervortreten. Risiken für die Märkte gibt es auch aus
Deutschland, dem stärksten Land der Währungsunion. Am Dienstag
entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob der EU-Fiskalpakt und
der dauerhafte Euro-Rettungsmechanismus ESM verfassungsgemäß sind.
Marktstrategen zufolge sind die Risiken, dass sich ein Start des ESM
aufgrund deutscher Bedenken verzögert, noch nicht in den Kursen
eingepreist. Sollte dieser Fall eintreten, ist es zweifelhaft, ob die
großen Zentralbanken den Marktverwerfungen, die sich aus
fortgesetzter europäischer Un-Einheit ergeben, wirkungsvoll begegnen
können.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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