Börsen-Zeitung: Reißleine 2.0, Kommentar zum angekündigten Umbau der
Commerzbank, von Bernd Neubacher.
Frankfurt (ots) - 44 Tage: Dies ist inzwischen die Halbwertzeit
strategischer Entscheidungen im Hause Commerzbank. Ende März hatte
das gelbe Institut angekündigt, die 'Kernaktivitäten' ihrer Tochter
Eurohypo, gemeint war die gewerbliche Immobilienfinanzierung in
Deutschland, in Großbritannien, Frankreich und Polen, in einem neuen
'Kernbank-Segment' namens Real Estate and Ship Finance (RES)
fortzuführen. Drei Monate später der große Schwenk: Das neue Segment
kommt nicht, vielmehr wickelt die Bank ihre gewerbliche
Immobilienfinanzierung und Schiffsfinanzierung komplett ab; erst Ende
Mai hatte sie die Deutsche Schiffsbank in den Konzern integriert. Was
muss in den zurückliegenden Wochen passiert sein, das die Bank zu
einem solchen Zickzackkurs zwingt? Immerhin dürfte der Staat,
Großaktionär der Bank, Interesse daran haben, dass es hierzulande ein
ausreichendes Angebot an gewerblichen Immobilien- und
Schiffsfinanzierungen gibt.
Von den Verweisen auf eine 'weiterhin unsichere Situation an den
Finanzmärkten', zunehmende regulatorische Belastungen sowie eine
Verschärfung der Staatsschuldenkrise, mit denen die Bank ihre
Kehrtwende begründet, kann nur letzterer überzeugen. Die Situation an
den Finanzmärkten ist unsicher, seit Ende 2007 die Finanzkrise
Deutschland erreichte, und die zunehmenden regulatorischen
Belastungen in Form von Basel III stehen schon seit September 2010
recht detailliert fest. Man kann es daher drehen und wenden, wie man
will: Entweder hat der Vorstand in seine Planungen eine zu geringe
Fehlertoleranz eingearbeitet, oder er hat die Lage grundlegend falsch
eingeschätzt. Im vergangenen November hat das Management ja schon
einmal die Reißleine gezogen und kurzerhand das Kreditneugeschäft
ohne Bezug zu Deutschland oder Polen vorübergehend eingestellt.
Seither hat das Institut zweimal die Gewinnprognose kassiert. Nun
kommt die Reißleine 2.0. Das Umfeld mag schlimm sein, das
Erwartungsmanagement der Bank aber ist schlimmer.
Dass der Vorstand bei seiner am Dienstag getroffenen Entscheidung
den Aufsichtsrat nicht einbezog, ist wegen der dort konzentrierten
Interessenkonflikte gleichwohl nur konsequent. Über das endgültige
Aus der Eurohypo hätte mit Oberkontrolleur Klaus-Peter Müller
derselbe Manager befinden sollen, unter dessen Führung die Bank 2005
knapp 5 Mrd. Euro für den Staats- und Immobilienfinanzierer
abgedrückt hatte. Dem Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher
Corporate Governance Kodex kann dies niemand zumuten wollen.
(Börsen-Zeitung, 28.6.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Telefon: 069--2732-0
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Frankfurt (ots) - 44 Tage: Dies ist inzwischen die Halbwertzeit
strategischer Entscheidungen im Hause Commerzbank. Ende März hatte
das gelbe Institut angekündigt, die 'Kernaktivitäten' ihrer Tochter
Eurohypo, gemeint war die gewerbliche Immobilienfinanzierung in
Deutschland, in Großbritannien, Frankreich und Polen, in einem neuen
'Kernbank-Segment' namens Real Estate and Ship Finance (RES)
fortzuführen. Drei Monate später der große Schwenk: Das neue Segment
kommt nicht, vielmehr wickelt die Bank ihre gewerbliche
Immobilienfinanzierung und Schiffsfinanzierung komplett ab; erst Ende
Mai hatte sie die Deutsche Schiffsbank in den Konzern integriert. Was
muss in den zurückliegenden Wochen passiert sein, das die Bank zu
einem solchen Zickzackkurs zwingt? Immerhin dürfte der Staat,
Großaktionär der Bank, Interesse daran haben, dass es hierzulande ein
ausreichendes Angebot an gewerblichen Immobilien- und
Schiffsfinanzierungen gibt.
Von den Verweisen auf eine 'weiterhin unsichere Situation an den
Finanzmärkten', zunehmende regulatorische Belastungen sowie eine
Verschärfung der Staatsschuldenkrise, mit denen die Bank ihre
Kehrtwende begründet, kann nur letzterer überzeugen. Die Situation an
den Finanzmärkten ist unsicher, seit Ende 2007 die Finanzkrise
Deutschland erreichte, und die zunehmenden regulatorischen
Belastungen in Form von Basel III stehen schon seit September 2010
recht detailliert fest. Man kann es daher drehen und wenden, wie man
will: Entweder hat der Vorstand in seine Planungen eine zu geringe
Fehlertoleranz eingearbeitet, oder er hat die Lage grundlegend falsch
eingeschätzt. Im vergangenen November hat das Management ja schon
einmal die Reißleine gezogen und kurzerhand das Kreditneugeschäft
ohne Bezug zu Deutschland oder Polen vorübergehend eingestellt.
Seither hat das Institut zweimal die Gewinnprognose kassiert. Nun
kommt die Reißleine 2.0. Das Umfeld mag schlimm sein, das
Erwartungsmanagement der Bank aber ist schlimmer.
Dass der Vorstand bei seiner am Dienstag getroffenen Entscheidung
den Aufsichtsrat nicht einbezog, ist wegen der dort konzentrierten
Interessenkonflikte gleichwohl nur konsequent. Über das endgültige
Aus der Eurohypo hätte mit Oberkontrolleur Klaus-Peter Müller
derselbe Manager befinden sollen, unter dessen Führung die Bank 2005
knapp 5 Mrd. Euro für den Staats- und Immobilienfinanzierer
abgedrückt hatte. Dem Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher
Corporate Governance Kodex kann dies niemand zumuten wollen.
(Börsen-Zeitung, 28.6.2012)
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