FRANKFURT (dpa-AFX) - Auch wenn die Inflation seit Monaten extrem niedrig und im März erneut gesunken ist: Die Europäische Zentralbank (EZB) hält ihr Pulver weiterhin trocken. Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag in Frankfurt, den Leitzins im Euroraum nicht noch weiter zu senken, sondern bei 0,25 Prozent zu belassen, wie die Notenbank mitteilte. Die Leitzinsen stehen bereits seit einiger Zeit auf diesem Rekordtief.
Der Einlagensatz, zu dem Banken kurzfristig Geld bei der Notenbank parken können, liegt weiterhin bei null Prozent, der Ausleihungssatz bleibt bei 0,75 Prozent. EZB-Chef Mario Draghi wird die geldpolitischen Entscheidungen ab 14.30 Uhr vor der Presse erläutern. Die Ankündigung von geldpolitischen Maßnahmen ist nicht ausgeschlossen.
GERINGER PREISAUFTRIEB SCHÜRT SORGEN VOR EINER DEFLATION
Dabei war die Jahresteuerung im Euroraum im März auf 0,5 Prozent gesunken und damit auf den niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren. Der Wert liegt deutlich unterhalb der Zielmarke der EZB von knapp unter 2,0 Prozent. Das hatte die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Zinssenkung steigen lassen.
Denn der seit Monaten geringe Preisauftrieb schürt Sorgen vor einer Deflation, also einer Abwärtsspirale der Preise quer durch alle Warengruppen. Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen und Anschaffungen in der Erwartung weiter sinkender Preise hinauszögern. Das würde die ohnehin noch fragile Erholung der Konjunktur in Europa abwürgen.
IWF-CHEFIN LAGARDE MACHT DRUCK
Erst am Mittwoch hatte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die EZB daher aufgerufen, zur Sicherung der Preisstabilität notfalls auch zu ungewöhnlichen geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen zu greifen: "Eine potenziell längere Phase mit geringer Inflation kann die Nachfrage und das Angebot unterdrücken - und Wachstum sowie die Entstehung von Arbeitsplätzen verhindern." Von einer gefährlichen Deflation könne aber nicht gesprochen werden.
Auch EZB-Präsident Mario Draghi hatte zuletzt betont: "Wir befinden uns definitiv nicht in einer Deflation." Jedoch sei eine lange anhaltend niedrige Inflation ein "Risiko an sich". Denn je länger die Teuerung gering bleibe, umso größer seien die Risiken eines weiter sinkenden Preisauftriebs. Die EZB hatte angekündigt, sich notfalls entschieden gegen einen Preisverfall zu stemmen.
EXPERTE: INFLATION DÜRFTE IM APRIL WIEDER STEIGEN
Dennoch hatte die Mehrheit der Ökonomen nicht mit einer Zinssenkung gerechnet. Sie verweisen darauf, dass die Konjunktur im Euroraum allmählich anzieht. Das stärkt den Preisauftrieb. Zudem ist das Geld bereits extrem billig, doch es kommt bei den Unternehmen in den südlichen Krisenländern nicht an. Daher könnte ein weiterer Schritt wirkungslos verpuffen. Tendenziell verbilligen niedrige Zinsen Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an.
Ohnehin dürfte die Inflationsrate schon im April wieder steigen, meint Commerzbank-Ökonom Christoph Weil: "Durch die späte Lage von Ostern in diesem Jahr werden insbesondere die Preise für Pauschalreisen im April stärker steigen als im Vorjahr." Auch der Effekt des milden Winterwetters laufe aus.
Bisher erwartet die Notenbank im laufenden Jahr eine Teuerung von 1,0 Prozent. Auch danach werde sich der Preisauftrieb kaum beschleunigen. Demnach steigen die Verbraucherpreise 2015 um 1,3 Prozent und 2016 um 1,5 Prozent.P/jkr