(neu: Aktienkurs, mehr zu Prognose, Brasilien, Edelstahl)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Industriekonzern ThyssenKrupp (ETR:TKA) befreit sich langsam aus seiner existenzbedrohenden Krise. "Wir haben erstmals seit sieben Quartalen wieder ein positives Nettoergebnis geschafft", sagte Vorstandschef Heinrich Hiesinger am Dienstag in Essen. Im Ende März abgelaufenen zweiten Geschäftsquartal stand unterm Strich ein Gewinn von 269 Millionen Euro nach einem Fehlbetrag von 129 Millionen Euro vor einem Jahr. Dabei profitierte der Konzern von seinem Sparprogramm, dem starken Industriegüter-Geschäft und einer Erholung im Stahlbereich. Zudem traten diesmal keine größeren negativen Sondereffekte auf, die der Dax (ETR:DAX)-Gesellschaft (ETR:DAX)oft die Bilanz verdorben hatten.
Dass der Vorstand nun auch mit einer Prognoseerhöhung auftrumpfte, sorgte für Begeisterung an der Börse. Die Aktie legte am Vormittag gut 5,5 Prozent zu und war mit Abstand bester Wert im Dax. Angesichts eines im ersten Halbjahr um gut 85 Prozent auf 555 Millionen Euro gestiegenen operativen Gewinns erhöhte der Vorstand sein Ziel für das Gesamtjahr. Nach 586 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2012/13 soll sich das Ergebnis nun fast verdoppeln. Bislang lag das Ziel bei rund einer Milliarde Euro.
PROGNOSE ERHÖHT
Auch beim Umsatz traut sich ThyssenKrupp mehr zu. Dieser soll auf vergleichbarer Basis - das heißt bereinigt um die entgangenen Erlöse aus verkauften Geschäftsteilen und Wechselkursschwankungen - nun im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich zulegen. Bislang hatte das Management einen Zuwachs im mittleren Prozentbereich in Aussicht gestellt. Im ersten Halbjahr war der bereinigte Umsatz um 4 Prozent auf 19,4 Milliarden Euro gestiegen.
Beim Nettoergebnis bleibt der Vorstand hingegen trotz eines Überschusses von 200 Millionen Euro im ersten Halbjahr vorsichtig. Das Ziel für dieses Jahr lautet offiziell weiter, sich in Richtung eines ausgeglichenen Ergebnisses zu arbeiten. Der Vorstand begründete seine Vorsicht damit, dass sich positive Buchungseffekte aus der ersten Hälfte so nicht wiederholen werden.
STAHL DEUTLICH VERBESSERT
In den vergangenen drei Geschäftsjahren hatte ThyssenKrupp vor allem wegen seiner fehlgeschlagenen Investitionen in neue Stahlwerke in Übersee und Schwierigkeiten im Edelstahlgeschäft Verluste von zusammen mehr als 7 Milliarden Euro angehäuft. Ob es für dieses Jahr nach zwei Nullrunden wieder eine Dividende gibt, hielt Finanzchef Guido Kerkhoff offen.
Als Ergebnisbringer erwiesen sich erneut die Industriegütergeschäfte mit dem Großanlagenbau, dem Komponentenbereich für die Autobranche und den Aufzügen. Den größten Zuwachs verbuchte die europäische Stahlsparte, die ihren Gewinn trotz weiter hohen Preisdrucks von 9 auf 62 Millionen Euro steigerte. Das lag an Einsparungen und gesunkenen Rohstoffpreise.
KONZERN BEKOMMT BRASILIEN IN DEN GRIFF
Die krisengeschüttelte Stahlsparte in Übersee halbierte ihren Verlust fast auf 26 Millionen Euro, weil der Konzern sein Problem-Werk in Brasilien besser in den Griff bekommt. Es soll nun bereits in diesem Jahr ein etwa ausgeglichenes Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen erzielen. Bislang war dies erst fürs kommende Geschäftsjahr erwartet worden.
Die Rückübertragung von Teilen des alten Edelstahlgeschäfts belastete im vergangenen Quartal zunächst nur mit einem 3-Millionen-Euro-Verlust. Das Werk AST im italienischen Terni und der deutsche Spezialhersteller VDM gehören seit März wieder voll zu ThyssenKrupp. Ursprünglich hatte ThyssenKrupp diese Bereiche an den finnischen Konkurrenten Outokumpu verkauft, musste sie aber zurücknehmen, als dieser in eine Schieflage geriet. Im laufenden Geschäftsjahr rechnet Finanzvorstand Kerkhoff hier mit einem Verlust im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.
SCHULDEN WEITER ABGEBAUT
Die Finanzlage hat sich derweil weiter entspannt. Die Netto-Finanzschulden gingen von Ende Dezember bis Ende März um gut eine halbe Milliarde auf knapp unter 4 Milliarden Euro zurück. Hauptgrund war der Verkauf eines der Problem-Stahlwerke im US-Bundesstaat Alabama. Der Erlös von 1,55 Milliarden Dollar ging nun ein. Vorstandschef Heinrich Hiesinger hätte auch das Werk in Brasilien verkauft, doch dies gelang nach anderthalbjährigen Verhandlungen nicht.br