BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnet bei der Abstimmung über das Rentenpaket an diesem Freitag im Bundestag mit einer großen Mehrheit - auch wenn dieses in Teilen der Union noch immer kritisiert wird. "Alles findet eine breite Zustimmung", sagte die CDU-Vorsitzende der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag).
Die Koalition von Union und SPD verfügt im Parlament über rund 80 Prozent der Abgeordnetensitze. Bei einer Probeabstimmung in der Unionsfraktion hatte es am Mittwoch nur noch 14 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen gegeben. Ursprünglich war die Rede von bis zu 70 Unions-Abweichlern. Die SPD dürfte geschlossen abstimmen.
Merkel wies die Kritik zurück, das Rentenpaket gehe zulasten der jungen Leute. "Unser Rentenpaket ist eine Politik der Gerechtigkeit gegenüber älteren Müttern ebenso wie gegenüber Menschen, die in ihrem Leben besonders lange gearbeitet haben." Der jüngeren Generation zu Gute kämen die konsequente Haushaltspolitik ohne neue Schulden und ohne Steuererhöhungen, die Investitionen in Forschung und Bildung, in Infrastruktur und in den Ausbau der Kinderbetreuung.
Das Rentenpaket besteht aus Verbesserungen bei der Mütterrente für vor 1992 geborene Kinder, der abschlagsfreien Rente ab 63 sowie Verbesserungen bei Erwerbsminderungsrente und Reha-Leistungen. Es kostet pro Jahr zwischen neun und elf Milliarden Euro - finanziert aus der Rentenkasse. Bei der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren sollen Phasen kurzer Arbeitslosigkeit mit angerechnet werden, aber nicht in den letzten zwei Jahre vor Beginn der Frührente.
Die Rechtmäßigkeit dieser rollierenden Stichtags-Regelung wird von Arbeitgebern und Gewerkschaften gleichermaßen angezweifelt. Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, sieht eine verfassungsrechtlich bedenkliche Scheinlösung. "Wenn der rollierende Stichtag in Karlsruhe keinen Bestand hätte, wäre der Frühverrentung Tür und Tor geöffnet." Zander warb für einen festen Stichtag.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht davon aus, dass der rollierende Stichtag von einem Gericht wieder gekippt wird. Diese Erwartung äußerte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen" (Donnerstag).
Die Sozialverbände VdK und SoVD forderten, die Mütterrente als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus dem Steuertopf zu bezahlen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warb dafür, Beschäftigte - so sie das wünschen - mit flexibleren Regelungen bis 70 arbeiten zu lassen. Wer dies mache, sollte dann eine entsprechend höhere Rente erhalten, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo der "Bild"-Zeitung (Donnerstag).
In dem Blatt rechnet der Bochumer Wirtschaftsprofessor Martin Verding vor, dass heute 4- bis 24-Jährige in ihrem Berufsleben etwa 77 300 Euro mehr in die Rentenkasse einzahlen als sie später erhalten werden. Unklar blieb aber, welche Annahmen der Berechnung - etwa zu Rentenerhöhungen oder Zusatzleistungen wie Reha oder Witwenrenten - zugrunde liegen. Letztere schlagen allein mit 40 Milliarden Euro jährlich zu Buche - bei Rentengesamtausgaben von 230 Milliarden Euro.br