(neu: Schutzgemeinschaft Kapitalanleger)
KARLSRUHE (dpa-AFX) - Aktionäre müssen es hinnehmen, wenn ein Unternehmen sich von der Börse zurückzieht. Sie haben aber durchaus Anspruch auf Abfindung und Entschädigung. Mit diesem Urteil wies das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch zwei Beschwerden zurück, die sich mit den Folgen des sogenannten Delisting beschäftigten.
Der Abschied eines Unternehmens von der Börse verletzt nicht das Eigentumsrecht von Aktionären, stellten die obersten Richter klar. Vielmehr sei ein solcher Vorgang ein 'mit dem Aktieneigentum miterworbenes Risiko', sagte der Vorsitzende Richter des ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Auf welche Weise ein Papier gehandelt wird, spiele für die Definition des Eigentums daran keinerlei Rolle.
Gleichzeitig stärkten die Verfassungsrichter den Aktionären den Rücken. Sie bekräftigten die 'Macrotron'-Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2002: Wenn ein Unternehmen sich vom regulierten Markt ganz zurückzieht oder in ein anderes Segment, den sogenannten Freiverkehr, wechselt, darf es die Minderheitsaktionäre nicht im Regen stehen lassen. Ihre Aktien müssen per Pflichtangebot übernommen oder Ausgleichszahlung gewährt werden. Diese können auch in einem sogenannten Spruchverfahren überprüft werden.
'Für uns Praktiker bleibt damit alles beim Alten', sagte Aktienrechtsexperte Gerald Reger. Das 'Macrotron'-Urteil bilde weiterhin die Richtschnur für rechtliche Folgen, die auf Aktionäre und Unternehmen nach einem vollständigen oder teilweisen Abschied vom Parkett zukommen können.
'Das ist die gute Nachricht für die Anleger', sagte Carsten Heise von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). 'Unternehmen können sich nicht unter Berufung auf die Verfassung vor einem Spruchverfahren drücken.' Problematisch hingegen sei, dass die Handelbarkeit der Aktie nach Ansicht der Richter nichts mehr mit dem Eigentum daran zu tun habe. 'Aktionäre können kaum intervenieren, wenn sich ein Emittent schrittweise und schließlich ganz aus der Börse zurückzieht.'
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) nannte die Delisting-Entscheidung 'einen schweren Schlag gegen die Streubesitzaktionäre' und kritisierte auch die 'Macrotron'-Entscheidung: Das Gericht habe formal die Macroton-Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2002 aufrechterhalten, sie aber ausgehöhlt. Denn das gerichtlich überprüfbare Pflichtangebot sei nunmehr ins Ermessen der Gerichte oder eines aktiv werdenden Gesetzgebers gestellt. 'Der Rechtsschutz des Streubesitzes muss durch überprüfbare Pflichtangebote anlog zum Squeeze-out komplettiert werden, um die freien Aktionäre nicht zum Spielball von Verwaltungen und Großaktionären werden zu lassen', forderte die SdK in München.
Beim Delisting, dem Börsenrückzug, kann eine Aktie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt auf einem anderen Handelsplatz im sogenannten Freiverkehr gehandelt werden. Eine einheitliche Rechtsprechung dazu hatte es auch nach dem 'Macrotron'-Urteil nicht gegeben. Mal wurden den betroffenen Aktionären Abfindungen zugesprochen - etwa beim vollständigen Rückzug eines Unternehmens von der Börse. In anderen Fällen wurde ihr Anspruch auf Entschädigung jedoch verneint, zum Beispiel wenn das Unternehmen vom regulierten Markt in ein bestimmtes Segment des Freiverkehrs wechselte.
Geklagt hatte eine Minderheitsaktionärin eines bayerischen Unternehmens, die eine Barabfindung für ihre Aktien durchsetzen wollte, nachdem das Unternehmen in den Freiverkehr gewechselt war. Die Aktionärin hatte unter anderem argumentiert, dass ihr Eigentumsrecht durch den Wechsel verletzt worden war. Zum anderen hatte sich die Hauptaktionärin einer Berliner Firma dagegen gewehrt, dass ein Spruchverfahren die Höhe der Abfindung für die früheren Anteilseignern festlegt. Beide Kläger sind unterlegen./avg/DP/he
KARLSRUHE (dpa-AFX) - Aktionäre müssen es hinnehmen, wenn ein Unternehmen sich von der Börse zurückzieht. Sie haben aber durchaus Anspruch auf Abfindung und Entschädigung. Mit diesem Urteil wies das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch zwei Beschwerden zurück, die sich mit den Folgen des sogenannten Delisting beschäftigten.
Der Abschied eines Unternehmens von der Börse verletzt nicht das Eigentumsrecht von Aktionären, stellten die obersten Richter klar. Vielmehr sei ein solcher Vorgang ein 'mit dem Aktieneigentum miterworbenes Risiko', sagte der Vorsitzende Richter des ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Auf welche Weise ein Papier gehandelt wird, spiele für die Definition des Eigentums daran keinerlei Rolle.
Gleichzeitig stärkten die Verfassungsrichter den Aktionären den Rücken. Sie bekräftigten die 'Macrotron'-Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2002: Wenn ein Unternehmen sich vom regulierten Markt ganz zurückzieht oder in ein anderes Segment, den sogenannten Freiverkehr, wechselt, darf es die Minderheitsaktionäre nicht im Regen stehen lassen. Ihre Aktien müssen per Pflichtangebot übernommen oder Ausgleichszahlung gewährt werden. Diese können auch in einem sogenannten Spruchverfahren überprüft werden.
'Für uns Praktiker bleibt damit alles beim Alten', sagte Aktienrechtsexperte Gerald Reger. Das 'Macrotron'-Urteil bilde weiterhin die Richtschnur für rechtliche Folgen, die auf Aktionäre und Unternehmen nach einem vollständigen oder teilweisen Abschied vom Parkett zukommen können.
'Das ist die gute Nachricht für die Anleger', sagte Carsten Heise von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). 'Unternehmen können sich nicht unter Berufung auf die Verfassung vor einem Spruchverfahren drücken.' Problematisch hingegen sei, dass die Handelbarkeit der Aktie nach Ansicht der Richter nichts mehr mit dem Eigentum daran zu tun habe. 'Aktionäre können kaum intervenieren, wenn sich ein Emittent schrittweise und schließlich ganz aus der Börse zurückzieht.'
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) nannte die Delisting-Entscheidung 'einen schweren Schlag gegen die Streubesitzaktionäre' und kritisierte auch die 'Macrotron'-Entscheidung: Das Gericht habe formal die Macroton-Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2002 aufrechterhalten, sie aber ausgehöhlt. Denn das gerichtlich überprüfbare Pflichtangebot sei nunmehr ins Ermessen der Gerichte oder eines aktiv werdenden Gesetzgebers gestellt. 'Der Rechtsschutz des Streubesitzes muss durch überprüfbare Pflichtangebote anlog zum Squeeze-out komplettiert werden, um die freien Aktionäre nicht zum Spielball von Verwaltungen und Großaktionären werden zu lassen', forderte die SdK in München.
Beim Delisting, dem Börsenrückzug, kann eine Aktie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt auf einem anderen Handelsplatz im sogenannten Freiverkehr gehandelt werden. Eine einheitliche Rechtsprechung dazu hatte es auch nach dem 'Macrotron'-Urteil nicht gegeben. Mal wurden den betroffenen Aktionären Abfindungen zugesprochen - etwa beim vollständigen Rückzug eines Unternehmens von der Börse. In anderen Fällen wurde ihr Anspruch auf Entschädigung jedoch verneint, zum Beispiel wenn das Unternehmen vom regulierten Markt in ein bestimmtes Segment des Freiverkehrs wechselte.
Geklagt hatte eine Minderheitsaktionärin eines bayerischen Unternehmens, die eine Barabfindung für ihre Aktien durchsetzen wollte, nachdem das Unternehmen in den Freiverkehr gewechselt war. Die Aktionärin hatte unter anderem argumentiert, dass ihr Eigentumsrecht durch den Wechsel verletzt worden war. Zum anderen hatte sich die Hauptaktionärin einer Berliner Firma dagegen gewehrt, dass ein Spruchverfahren die Höhe der Abfindung für die früheren Anteilseignern festlegt. Beide Kläger sind unterlegen./avg/DP/he