BERLIN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach der Bundesbank und einigen Wirtschaftsforschern dringt auch der Arbeitnehmerflügel der CDU auf höhere Tarifabschlüsse in Deutschland. "Höhere Löhne führen zu einem höheren Konsum und stärken die Binnennachfrage, was im europäischen Binnenmarkt auch die Exportchancen der südeuropäischen Partnerländer erhöht", sagte der Vize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Christian Bäumler, "Handelsblatt Online" (Mittwoch). Ein spürbares Lohnplus könne damit dazu beitragen, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa zu mildern.
Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich hatte angesichts der derzeit extrem niedrigen Inflation für höhere Abschlüsse geworben. Über Jahre hinweg hätten die Tarifparteien "sehr verantwortungsbewusst Lohnzurückhaltung" geübt - nun gebe es neuen Spielraum. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Marcel Fratzscher, sprach sich für spürbare Anhebungen aus.
Die Metallarbeitgeber reagierten mit Kritik. Kräftigere Steigerungen der Löhne würden die Investitionsbedingungen verschlechtern und die Unternehmen zwingen, bei Neuinvestitionen auch das Ausland stärker zu berücksichtigen, hieß es aus dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Lohnzuwächse hätten Folgen für den Heimatstandort: "Alle Beteiligten sind sich einig, dass eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als derzeitiger Konjunkturlokomotive im Euroraum nicht die richtige Maßnahme sein kann."
Unionspolitiker Bäumler argumentierte, die Realeinkommen der Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer seien während des vergangenen Jahrzehnts im Gegensatz zu denjenigen in anderen EU-Staaten gesunken. Jetzt müssten sich die unterschiedlichen Lohntrends aufeinander zubewegen - im Interesse der Kaufkraft inner- wie außerhalb Deutschlands: "Ohne Importe nach Deutschland gibt es auch keine Exporte nach Südeuropa."
Nach Daten des Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung konnten sich die deutschen Arbeitnehmer bei den bisherigen Abschlüssen 2014 über ein so dickes Gehaltsplus freuen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Tarife stiegen demnach im Schnitt um 3,1 Prozent - wobei einzelne Branchen wie die Chemie (3,7 Prozent auf 14 Monate) oder der öffentliche Dienst von Bund und Kommunen (3,4 Prozent) heraus stachen.
Bereits das Durchschnittsplus lag aber über dem Niveau der Vorjahre sowie deutlich oberhalb der erwarteten Inflationsrate, weshalb Reallohnsteigerungen anstehen. In Deutschland lag die jährliche Teuerungsrate im Juni nur bei 1,0 Prozent.kr