LONDON (dpa-AFX) - Der boomende Immobilienmarkt Großbritanniens ruft die Bank of England auf den Plan. Die bei der Notenbank angesiedelte Finanzaufsicht (Financial Policy Committee, FPC) hat am Donnerstag erste Schritte ergriffen, um Risiken für die Finanzstabilität vorzubeugen. Dazu gehören strengere Bonitätsprüfungen von Darlehensnehmern und Begrenzungen der Vergabe besonders riskanter Hypothekenkredite. Das Pfund reagierte mit Gewinnen auf die Ankündigung, die Renditen britischer Staatsanleihen stiegen.
Wie das FPC in London mitteilte, sollen die Geldhäuser künftig sicherstellen, dass höchstens 15 Prozent ihrer neuvergebenen Hypothekenkredite als riskant einzustufen sind. Darunter fallen Ausleihungen mit einer Summe, die mindestens 4,5-mal so hoch ist wie das Jahreseinkommen des jeweiligen Schuldners. Das Volumen von Krediten mit einem hohen Kredit-Einkommensverhältnis war im vergangenen Jahr stark angestiegen. Zudem wird den Geldhäusern ein Stresstest empfohlen, in dem der Kreditzins drei Prozentpunkte über dem Zins bei Darlehensaufnahme liegen soll. Damit soll geprüft werden, ob die Zahlungsfähigkeit auch bei steigenden Zinsen vorhanden ist.
Von der Möglichkeit, dass Banken zusätzliches Eigenkapital für Hypothekenkredite vorhalten müssen, machte das FPC zunächst keinen Gebrauch. Die neuen Maßnahmen sollen von Oktober an gelten. Ob sie die gewünschte Wirkung entfachen, gilt als ungewiss, weil die neuen Instrumente kaum erprobt sind. Sie gehören zur sogenannten "makroprudenziellen Aufsicht", für die die Bank of England erst seit der Finanzkrise zuständig ist.
Die Hauspreise im Vereinigten Königreich waren zuletzt mit einer Jahresrate von knapp zehn Prozent gestiegen, in London lag der Zuwachs fast doppelt so hoch. Einige Analysten warnen deswegen vor der Gefahr einer Überhitzung des Marktes. Selbst Notenbankchef Mark Carney hatte vor etwa zwei Wochen den Immobilienmarkt als größtes Risiko für die britische Wirtschaft bezeichnet.
Carney bekräftigte am Donnerstag seine Einschätzung, dass der Rückgriff auf die herkömmliche Geldpolitik wie Zinsanhebungen nicht notwendig sei, um Risiken am Häusermarkt zu begegnen. "Die Existenz makroprudenzieller Instrumente erlaubt es der Geldpolitik, sich auf ihr vorrangiges Ziel der Preisstabilität zu konzentrieren." Die Zinspolitik sei allenfalls "die letzte Verteidigungslinie" gegen Risiken für die Finanzstabilität.
Diese Einschätzung teilen nicht alle Beobachter: "Es braucht kein ausgeklügeltes Modell oder große ökonomische Arbeiten, um herauszufinden, dass das außer Kontrolle ist und dass etwas getan werden muss", sagt Unicredit-Chefvolkswirt Erik Nielsen über den britischen Immobilienmarkt. "Letztendlich braucht Großbritannien eine Zinserhöhung - und zwar schnell." Beobachter erwarten, dass die Bank of England die erste große Notenbank sein wird, die nach der Finanzkrise eine Zinserhöhung wagt. Allerdings rechnen Analysten damit frühestens im Spätherbst, möglicherweise sogar erst im kommenden Jahr.