BERLIN (dpa-AFX) - Erhöhungen des gesetzlichen Mindestlohns sollen in Zukunft möglichst ohne Streit zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern ausgehandelt werden. Die dafür zuständige Mindestlohn-Kommission werde versuchen, im Konsens zu Ergebnissen zu kommen, sagte der Vorsitzende, Hamburgs früherer Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), nach seiner Berufung durch das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin.
Die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde gilt vom 1. Januar 2015 an. Die neunköpfige Kommission mit Spitzenvertretern der Arbeitgeber und der Gewerkschaften soll Vorschläge für die alle zwei Jahre geplante Mindestlohn-Anpassung machen. Die Kommission soll sich an der Tarifentwicklung in Deutschland orientieren.
Mit der Festlegung bestimmter Verpflichtungen für Unternehmen stellte das Kabinett letzte Weichen für den bevorstehenden Start des Mindestlohns. Arbeitgeber werden verpflichtet, für bestimmte Arbeitnehmer die Arbeitszeit exakt zu dokumentieren. Ab einem Verdienst von 2958 Euro pro Monat entfällt die Verpflichtung. Eine ursprünglich geplante höhere Schwelle wurde nach Intervention der Wirtschaft gesenkt.
"Die Voraussetzung für die Einführung des Mindestlohns sind exzellent", sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). In vielen Branchen würden händeringend Arbeitskräfte gesucht.
"Jetzt kommt die entscheidende Hürde - die Umsetzung", so Nahles. Anhaltende Kritik der Arbeitgeber und Mahnungen der Gewerkschaften, die Arbeitgebern reihenweise Umgehungsstrategien vorwerfen, überraschten sie nicht. Massenhafte Tricksereien gebe es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Allerdings würden Verstöße keineswegs als Kavaliersdelikt behandelt. Die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit werde ab dem 1. Januar einen Schwerpunkt auf die Kontrolle des Mindestlohns legen.
Voscherau maß der neuen Lohnuntergrenze große Bedeutung bei. "Der gesetzliche Mindestlohn in einer Zeit, in der Dumpinglöhne (...) zunehmen, ist aus meiner Sicht eine große Chance für unsere Gesellschaft." Bei Diskussionen über die künftige Höhe würden wohl auch immer wieder Warnungen vor negativen Folgen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt kommen. "Das muss man ernst nehmen."
Kritik der Wirtschaft am Mindestlohn riss nicht ab. So sieht das Handwerk die jahrhundertealte Tradition der Walz bedroht. Denn das Gesetz lasse eine Anrechnung von Kost und Logis nicht zu, heißt es zur Begründung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), wie die "Stuttgarter Zeitung" (Mittwoch) berichtete. Während ihrer Wanderschaft arbeiten die Handwerker in Betrieben für Kost und Logis und erhalten meist ein kleines Handgeld.