BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Verhandlungen zwischen der EU und 21 anderen Staaten über die Liberalisierung von Dienstleistungen bedrohen nach Ansicht der EU-Kommission weder den Datenschutz noch die Kontrolle der Finanzmärkte. Dies sagte ein Sprecher der Kommission am Freitag in Brüssel zu einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Das sogenannte Tisa-Abkommen (Trade in Services Agreement), über das seit Mitte 2013 verhandelt wird, werde keinen Unterzeichnerstaat daran hindern, die eigenen Datenschutzgesetze anzuwenden. Auch Notfallmaßnahmen bei Finanzkrisen seien weiterhin möglich.
Unter Berufung auf Dokumente der Enthüllungsplattform Wikileaks, die auch dem NDR und dem WDR vorlägen, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" vor allem über Forderungen der USA. Demnach sollten Finanzkonzerne die Erlaubnis bekommen, "Informationen in elektronischer oder anderer Form" in oder aus seinem Gebiet hinein oder heraus zu transferieren. "Die Gefahr wäre, dass zum Beispiel Kontendaten von Bürgern und Firmen aus Europa abfließen - und der US-Regierung und den Geheimdiensten zur Verfügung stehen", zitierte das Blatt den EU-Abgeordneten Sven Giegold (Grüne). Damit würde der im Abkommen über das Zahlungssystem Swift ausgehandelte Datenschutz wieder ausgehebelt.
Ein Sprecher der EU-Kommission widersprach: Im Tisa-Abkommen sollten die gleichen Datenschutzvorschriften enthalten sein, wie sie in dem bestehenden Generellen Abkommen über den Handel (Gats) im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO schon gelten. "Keine der vorgeschlagenen Regelungen im Tisa würde einen Unterzeichner daran hindern, seine Gesetze über den Schutz der Privatsphäre und von Daten anzuwenden." Identische Regelungen gebe es beispielsweise auch in dem bereits bestehenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea.
Hinsichtlich des Transfers von Finanzdaten seien auch weiterhin alle bestehenden nationalen Gesetze oder EU-Vorschriften anwendbar. "Tisa ändert daran nichts", sagte der Kommissionssprecher. "Jeder Unterzeichner von Tisa einschließlich der EU und ihrer Mitgliedsstaaten wäre unverändert in der Lage, sein derzeitiges oder künftiges Recht zum Datenschutz anzuwenden." Hinsichtlich des Rechts, Finanzdaten zu transferieren, sagte er: "Das wäre ein Recht, keine Verpflichtung." Es sei "nicht wahr", dass unter Berufung auf Tisa Bankdaten von EU-Bürgern unkontrolliert in die USA geschickt werden dürften: "Jede Firma, die solche Informationen unter Missachtung nationaler Gesetze transferiert, müsste mit Strafen gemäß diesen Gesetzen rechnen."
Dem Zeitungsbericht zufolge fordern die USA auch, dass Notmaßnahmen bei Finanzkrisen oder zum Schutz der Sparer nicht dazu führen dürfen, dass ein Land seine Pflichten zur Marktöffnung vernachlässigt. "Künftig handelt sich eine Regierung leicht eine Klage ein", sagte Giegold dem Blatt. Sie müsse quasi bei jedem Gesetz zur schärferen Kontrolle der Finanzmärkte beweisen, dass dieses den Freihandel nicht hemme. Der Kommissionssprecher sagte, dies sei nicht richtig: "Aber die Regierung müsste beweisen, dass das Gesetz nicht ausländische Firmen zugunsten inländischer diskriminiert."
Der EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht (Grüne) erklärte am Freitag, bei den "Geheimverhandlungen" entpuppten sich die Verhandlungsführer von EU, USA und weiteren Staaten als "die Feinde des Datenschutzes". Es gehe um die Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Die EU müsse "der weiteren Unterwanderung des Datenschutzes einen Riegel vorschieben".tb