ESSEN (dpa-AFX) - Der Spezialchemiekonzern Evonik (ETR:EVKn) will sich mit Einsparungen für die 2023 erwartete Konjunkturdelle wappnen. "Wir bereiten uns für das kommende Jahr auf eine Rezession vor", wie Konzernchef Christian Kullmann am Dienstag bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal laut Mitteilung erklärte. Durch Sparmaßnahmen sollen die Kosten nun im dreistelligen Millionenbereich gesenkt werden. Erreicht werden soll das unter anderem durch Einschränkungen bei Dienstreisen und Messeauftritten sowie beim Einsatz externer Berater. Auch bei Neueinstellungen soll genauer hingeschaut werden.
Damit reagiert Evonik nicht nur auf das schwierige Umfeld, sondern auch auf den erwarteten weiteren Anstieg der Energiepreise. Hier kalkuliert Kullmann für 2023 mit rund 1,6 Milliarden Euro. Das wären nochmal 300 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr, in dem sich die Kosten für Energie fast verdoppeln werden.
Erste Spuren der zunehmend trüben Wirtschaftslage sind bereits erkennbar: Der Absatz sank im dritten Quartal in vielen Unternehmensbereichen. Dennoch sieht Kullmann den MDax-Konzern auf Kurs zum Ziel eines bereinigten operativen Gewinns (Ebitda) von 2,5 bis 2,6 Milliarden Euro im laufenden Jahr, wenngleich mittlerweile - anders als noch zum Halbjahr - nicht mehr das obere Ende der Spanne in Aussicht gestellt wird. Damit könnte Evonik die aktuelle, mittlere Analystenschätzung verfehlen.
Im abgelaufenen dritten Quartal fiel das bereinigte operative Ergebnis - trotz eines von höheren Verkaufspreisen getriebenen Umsatzanstiegs um gut ein Viertel auf 4,88 Milliarden Euro - im Jahresvergleich um fünf Prozent auf 615 Millionen Euro. Damit schnitt der Konzern etwas besser ab als erwartet. Unter dem Strich verdiente Evonik 214 Millionen Euro nach 235 Millionen vor einem Jahr.
Dabei gelang es den Essenern höhere Kosten durch deutliche Preiserhöhungen an die Kunden weiterzureichen. Dank dieser Preiserhöhungen peilt Evonik 2022 nun 18,5 Milliarden Euro Umsatz an, statt 17 bis 18 Milliarden bisher. Allerdings schwächelt die Nachfrage mittlerweile, ein niedrigerer Absatz hinterließ in fast allen Bereichen Spuren.
Der Konzern bekam unter anderem eine rückläufige Nachfrage aus der Tierfuttermittelindustrie nach dem Eiweiß Methionin zu spüren und die Geschäfte mit chemischen Standardprodukten der Sparte Performance Materials liefen weniger gut als noch im zweiten Quartal. Einen Anstieg des bereinigten operativen Ergebnisses schaffte nur die Sparte Specialty Additives rund um Zusatzstoffe für Materialien etwa für die Bau- und Autoindustrie sowie für Hersteller von Windkraftanlagen.
Unter Performance Materials hat Evonik vor einiger Zeit die Geschäfte mit chemischen Standardprodukten gebündelt, die perspektivisch verkauft werden sollen. Finanzchefin Ute Wolf sieht das Unternehmen auf Kurs für eine Veräußerung des C4-Verbundes rund um petrochemische Zusätze für Kautschuk, Kunststoffe und Spezialchemikalien sowie des Superabsorber-Geschäfts mit saugstarken Materialien etwa für Windeln in den kommenden zwölf Monaten, wie sie in einem Video-Beitrag zu den Quartalszahlen betonte.
Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research äußerte sich in einer ersten Reaktion positiv zu den Ankündigungen von Evonik. Das betreffe den Zeitplan für die Veräußerungen der Unternehmensteile, aber auch die Einsparungen, die die steigenden Energiekosten teils ausglichen. Trotz des schwierigen Umfeldes treibe der Konzern aber auch Investitionen in Wachstumsbereichen voran, etwa bei Lipiden für die Pharmaindustrie und bei Biotensiden für Reinigungsmittel.
Die Evonik-Aktie gab im frühen Handel um zwei Prozent auf 18,52 Euro nach. 2022 hat sie im Sog hoher Energiekosten und der Konjunktursorgen der Investoren bislang rund ein Drittel verloren. Der europäische Chemieindex Stoxx Europe 600 Chemicals hat im laufenden Jahr rund 15 Prozent eingebüßt.