FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Europäische Zentralbank beansprucht bei der künftigen Bankenaufsicht weitreichende Befugnisse auch über kleine Institute. Ein am Freitag vorgelegter erster Entwurf für die Organisation der künftigen Kontrolle des Bankensektors in der Eurozone sieht erhebliche Eingriffsmöglichkeiten auf alle rund 6600 Geldhäuser der Eurozone vor.
Die rund 130 größten und wichtigsten Banken sollen unter der direkten Aufsicht der Notenbank stehen. Für die kleineren Institute sollen in erster Linie die nationalen Aufseher zuständig sein. Gegenüber diesen soll die EZB allerdings das Recht bekommen, 'Verordnungen zu erlassen, Leitlinien herauszugeben oder allgemeine Anweisungen zu erteilen'. Bei Übernahmen und Fusionen im Bankensektor wird künftig nichts mehr ohne die EZB gehen. Genehmigungen für solche Schritte, aber auch der Entzug von Bankzulassungen, kann nur noch sie aussprechen. Dabei sollen die nationalen Aufseher aber beraten.
Die EZB übernimmt vom 4. November an die zentrale Aufsicht über die Banken in Europa. Der einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus in der Eurozone - auf englisch Single Supervisory Mechanism (SSM) - ist ein Pfeiler der geplanten Bankenunion in der Eurozone. Diese soll verhindern, dass Institute mit riskanten Geschäften ganze Staaten in den Abgrund reißen und Gefahren für die gesamte Eurozone heraufbeschwören. Die zentrale Bankenaufsicht ist auch Voraussetzung für direkte Bankenhilfen aus dem EU-Rettungsfonds ESM.
Der nun vorgelegte Entwurf ist gewissermaßen eine Bedienungsanleitung für die künftigen organisatorischen Abläufe wie die Kooperation mit den nationalen Behörden. So sollen etwa gemischte Teams aus nationalen Aufsehern und EZB-Bankwächtern gemeinsam die Risiken von Großbanken prüfen. Bei kleinen Instituten werden die nationalen Behörden aufgefordert, Probleme umgehend an die EZB zu melden.
Bei möglichen Strafen ist der Durchgriff für die EZB aus rechtlichen Gründen kompliziert. Verletzen Banken reines EU-Recht, soll generell die EZB Sanktionen verhängen. Ist nationales Recht betroffen, sind die nationalen Aufseher zuständig - bei Großbanken dürfen sie aber nur auf Geheiß der EZB aktiv werden. Die Zentralbank bekommt dabei das Recht, höhere Kapitalpuffer als nationale Behörden zu verlangen. Keine Änderungen soll es für die Aufgaben der europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA geben. Sie soll sicherstellen, dass die Leitlinien möglichst für alle Banken in der EU gleich sind.
Der vorgelegte Entwurf geht nun in einen einmonatigen Beratungsprozess. Bis spätestens Anfang September wird dann endgültig festgelegt, welche rund 130 Banken direkt von der EZB kontrolliert werden. Derzeit läuft bereits eine dreistufige Überprüfung von 128 Bankhäusern. Mit dem Fitnesscheck will die EZB Risiken in den Bilanzen aufspüren, ehe sie die zentrale Aufsicht übernimmt.