BRÜSSEL (dpa-AFX) - Mit Blick auf geplante strengere Regeln bei Verpackungen in der EU warnt die Industrievereinigung Kunststoffverpackung (IK) vor einer Problemverlagerung. "Insgesamt begünstigen die Sonderregelungen eine Verschiebung hin zu dickeren und schwereren Verpackungsmaterialien und damit zu mehr Verpackungsmüll und mehr CO2-Emissionen", sagte IK-Geschäftsführerin für Kreislaufwirtschaft Isabell Schmidt. Andere sehen in den vorgesehenen Regeln gute Nachrichten für die Umwelt und die Kreislaufwirtschaft in Europa. Hinter deutschen Vorschriften bleiben sie teils zurück.
Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Länder hatten sich am Montagabend in Brüssel auf eine Reform der EU-Verpackungsverordnung geeinigt. Demnach sollen künftig deutlich mehr Verpackungen verpflichtend recycelbar sein. Hersteller sollen das Gewicht und Volumen von Verpackungen minimieren. Ziel ist es, den Verpackungsmüll in der EU bis 2040 schrittweise um mindestens 15 Prozent im Vergleich zu 2018 zu reduzieren. Die Reform muss noch von den Ländern und dem EU-Parlament formell angenommen werden.
Vom Bundesumweltministerium hieß es, die Verordnung bringe zentrale Ziele und Maßnahmen auf den Weg, "die eine Trendwende im Verpackungsverbrauch bewirken können". Zugleich bekämen Unternehmen die nötige Planungssicherheit, um mehr und mehr auf Kreislaufwirtschaft umzustellen, sagte ein Sprecher. Man sei optimistisch, dass einer Zustimmung Deutschlands bei der Annahme der Regeln nichts entgegenstehe.
Auch die Recyclingwirtschaft blickt positiv auf die Pläne aus Brüssel. "Die EU-weit geltenden neuen Regeln für Verpackungen sind dringend notwendig, um die hochwertige ressourcen- und klimaschonende Kreislaufführung von Verpackungsabfällen weiterzuentwickeln", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE), Andreas Bruckschen.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) unterstütze die EU-Verpackungsverordnung, weil sie den Umweltschutz verbessere und für eine bessere Abfallvermeidung sorge, erklärte ein Unternehmenssprecher. So sehen die neuen Regeln etwa auch die Einführung eines Pfandsystems für Einwegplastikflaschen und Aluminiumdosen in der EU vor. Auswirkungen dieses Plans dürften aber in anderen Ländern stärker sein als in der Bundesrepublik: "Seit 20 Jahren haben wir in Deutschland ein etabliertes und sehr gut funktionierendes Pfandsystem, mit dem wir hohe Sammel- und Recyclingziele erfüllen. Deswegen erwarten wir hierzulande kaum Auswirkungen", sagte der VKU-Sprecher.
Nach Einschätzung des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat Deutschland sogar ehrgeizigere Ziele, als die EU-Einigung vorsieht. "Zwar wurden erstmals auch europaweit Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen vereinbart. Doch mit nur zehn Prozent bis 2030 bleibt diese Regelung weit hinter dem deutschen Ziel von 70 Prozent zurück", sagte der Vorsitzende Olaf Bandt.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) will die finale Fassung des Verordnungsentwurfs abwarten, um mögliche Folgen für etwa Hotels und Restaurants abzuschätzen, teilte der Verband mit. Diese könnte es etwa geben, da die EU-Regeln vorsehen, dass bestimmte Einweg-Verpackungen aus Plastik ab 2030 verboten sein sollen - etwa Einzelverpackungen für Zucker oder Sahne, die vor allem in Restaurants und Cafés genutzt werden.
Auch der Industrieverband Papier- und Folienverarbeitung (IPV) hält die Bewertung der Einigung auf Basis der bisher veröffentlichten Informationslage noch nicht für möglich. Produktverbote und weitgehend verpflichtende Mehrwegquoten lehne der IPV aber klar ab und plädiere für die "diskriminierungsfreie Nutzung von Papier- und Kunststoffverpackungen ohne unnötige marktbeschränkende Eingriffe".