BERLIN (dpa-AFX) - Finanzminister Wolfgang Schäuble mahnt die Kritiker seiner geplanten Erbschaftsteuer-Reform zu mehr Sachlichkeit. Mit Blick auf wachsende Kritik aus den Reihen von CDU und CSU, Wirtschaft sowie den Ländern sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in Berlin: "Wir sind hier nicht Dampfplauderer." Vor einem Treffen mit den Länder-Finanzministern sagte er, es gehe darum, Vorschläge für die vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Korrekturen zu machen und seriös zu argumentieren. "Öffentliches Getöse" werde dem verfassungsrechtlichen Problem nicht gerecht. "Je lauter das Getöse, umso geringer ist der sachliche Gehalt."
Schäubles bisher vorgelegte Eckpunkte fallen schärfer aus als von der Wirtschaft erwartet. Danach müssten mehr Firmenerben und Unternehmen nachweisen, dass sie die Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht verkraften, um vom Fiskus verschont zu werden. Besonders in der Kritik steht eine Freigrenze von 20 Millionen Euro je ererbten betrieblichen Vermögen für die "Bedürfnisprüfung". Damit soll verhindert werden, dass automatisch zu viele Firmen profitieren. Dagegen laufen Union und Wirtschaftsverbände Sturm.
Die Karlsruher Richter hatten die seit 2009 geltende großzügige Verschonung von Betriebsvermögen gekippt und bis Juni 2016 eine Neuregelung verlangt. Derzeit können Firmenerben von den Steuern teilweise oder ganz befreit werden, wenn sie den Betrieb mehrere Jahre fortführen, Arbeitsplätze erhalten und wenn ein Großteil des Betriebsvermögens in die Produktion eingebunden ist.
Die kritisierte Freigrenze von 20 Millionen Euro je Erbfall wird im Finanzministerium damit begründet, dass 2013 etwa 98 Prozent der Unternehmen unterhalb dieser Wertgrenze gelegen hätten. Bei einem höheren Wert bestehe die Gefahr, dass er vom Verfassungsgericht wieder gekippt werde. Auch soll künftig das Privatvermögen der Erben oder Beschenkten einbezogen werden. Allerdings soll die Belastung des Privatvermögens den Angaben zufolge gedeckelt werden.
Verschont werden soll nur "betriebsnotwendiges Betriebsvermögen". Ferner soll es eine Bagatellgrenze von einer Million Euro für kleine Unternehmen geben, die den Erhalt der Arbeitsplätze nicht nachweisen müssen, um von der Steuerverschonung zu profitieren.
Der CDU-Wirtschaftsrat warnt laut der Zeitung "Die Welt" vor einer "Zerschlagung unseres erfolgreichen Mittelstandsmodells". Es dürfe für Familienunternehmen nicht zu einer breiten Steuererhöhung kommen. Der CSU-Mittelstandspolitiker Hans Michelbach kritisierte im "Deutschlandfunk", Schäubles Pläne orientierten sich mehr an "willkürlichen Unternehmenswerten" statt an Arbeitsplätzen.
Kritik kommt auch von der grün-roten Regierung Baden-Württembergs, wo zahlreiche Familienbetriebe angesiedelt sind. Finanzminister Nils Schmid (SPD) warnte, die Reform dürfe "nicht zu einer Zerreißprobe" für Familienunternehmen werden. Linken-Chef Bernd Riexinger nannte es absurd, dass Grün-Rot in Stuttgart einen weitaus höheren Freibetrag für Erben von Unternehmen fordere als Schäuble.
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) betonte, es gehe um eine Regelung, die den Vorgaben des Gerichts entspreche und Arbeitsplätze in Familienunternehmen nicht gefährde. Karlsruhe habe deutlich gemacht, dass es keinen Grund gebe, Firmenerbschaften per se vollständig zu begünstigen.