LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Kein leichter Start für den erst seit Juni amtierenden Bayer (ETR:BAYGN) -Chef Bill Anderson: Bei der Vorstellung seiner ersten Quartalsbilanz Anfang August wird der Firmenlenker einen Milliardenverlust im zweiten Jahresviertel rechtfertigen müssen. Die nach einem Boom 2022 mittlerweile deutlich gesunkenen Preise für den Unkrautvernichter Glyphosat sowie eine schwächere Nachfrage nach dem Mittel machen eine Firmenwert-Abschreibung in Milliardenhöhe notwendig, wie der Dax -Konzern am Montagabend in Leverkusen mitteilte. Daher ergibt sich für das zweite Quartal ein Milliardenverlust. Zudem senkte Bayer den Jahresausblick. Experten hatten zwar bereits damit gerechnet, das Ausmaß überraschte aber. Der Aktienkurs fing sich am Dienstag nach Anfangsverlusten aber schnell.
Es ist nicht die erste Milliarden-Wertberichtigung, die Bayer im Zusammenhang mit der mehr als 60 Milliarden US-Dollar teuren Übernahme des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto (NYSE:MON) im Jahr 2018 vornehmen muss. Den vor allem wegen der teuren US-Rechtsstreitigkeiten rund um angebliche Krebsrisiken durch Glyphosat sowie Spätfolgen der seit Jahrzehnten verbotenen Chemikalie PCB oft kritisierten Deal hatte Andersons Vorgänger Werner Baumann durchgesetzt.
Ein anhaltender Druck auf die vor Jahresfrist noch außergewöhnlich hohen Preise hatte die Bayer-Führung bereits bei der Vorstellung der Zahlen für das erste Quartal vorsichtiger gestimmt. Baumann hatte im Mai den Jahresausblick zwar im Grundsatz bestätigt, aber nur noch eine "Zielerreichung im unteren Korridor" der alten Prognose avisiert. Experten hatten selbst das - trotz ebenfalls angekündigter höherer Sparziele - zuletzt aber für zu ambitioniert gehalten, wie ein Blick auf die durchschnittlichen Analystenschätzungen zeigt. Sie bekamen nun Recht.
Mittlerweile kalkuliert Bayer für 2023 um Wechselkursveränderungen bereinigt und damit auf Basis der Durchschnittskurse im Vorjahr nur noch mit einem Umsatz von 48,5 bis 49,5 Milliarden Euro, statt mit 51 bis 52 Milliarden. Der Konzern gibt die Prognosen wechselkursbereinigt an, um die zugrundeliegende Geschäftsentwicklung besser vergleichbar zu machen.
Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll ohne Währungseffekte im laufenden Jahr 11,3 bis 11,8 Milliarden Euro erreichen. Hier hatten die Leverkusener bislang 12,5 bis 13 Milliarden in Aussicht gestellt. Während der neue Umsatzausblick nur etwas unter der mittleren Analystenschätzung liegt, hinkt die Gewinnprognose deutlicher hinterher.
"Der weitere Preisverfall und geringere Volumina aufgrund des Abbaus von Lagerbeständen insbesondere von glyphosatbasierten Produkten sowie schlechte Witterungsbedingungen haben den Druck erhöht", begründete Bayer den Schritt.
Und: "Aufgrund der erwarteten Marktentwicklung - vor allem im Hinblick auf das Glyphosatgeschäft - rechnet Bayer auch mit einer Goodwill-Abschreibung von circa 2,5 Milliarden Euro." Heißt: Auf Basis des aktuellen Geschäftsumfeldes war der in der Bilanz angesetzte Wert für Monsanto wohl zu hoch. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Aktionäre unter dem Strich auf einen Verlust von etwa zwei Milliarden Euro im zweiten Quartal einstellen.
Für die Aktien ging es am Dienstag denn auch zunächst um mehr als zwei Prozent nach unten. Sie holten die Verluste aber rasch auf und notierten am Vormittag zuletzt mit 51,91 Euro fast ein Prozent im Plus. Allerdings waren sie im Mai nach den vorsichtigen Worten Baumanns auch weiter unter Druck geraten, sodass das Plus für 2023 aktuell nur noch gut sieben Prozent beträgt. Das Jahreshoch aus dem Februar lag über 65 Euro.
Das aktuell schwierige Umfeld in der Agrarbranche sei bekannt gewesen, erklärte Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research. Zudem habe sich der Glyphosatpreis zuletzt gefangen, sodass der neue Unternehmensausblick hier vorsichtig erscheine. Allerdings droht laut Zechmann womöglich noch Ungemach durch das Pharmageschäft. So habe Bayer sich aktuell nicht zur Profitabilität in dem Bereich geäußert, wenngleich der Margenausblick hier zu optimistisch erscheine. Insgesamt sei die Ausgangslage für den neuen Bayer-Chef Anderson schwierig, sein Vorgänger habe ihm wenig Puffer gelassen beim Ausblick.
Für Analystin Emily Field von der Barclays-Bank signalisieren die neuen Prognosen derweil, dass Anderson wohl erst einmal reinen Tisch machen wollte. Sie moniert allerdings fehlende Details, insbesondere zur Prognose für den freien Mittelfluss. So erwartet Bayer für das zweite Quartal einen negativen Free Cashflow von einer halben Milliarde Euro und für das Gesamtjahr etwa null Euro, nach bisher avisierten etwa drei Milliarden Euro.
Einen klareren Blick auf die Geschäftsentwicklung dürfte dann die für den 8. August geplante Veröffentlichung der vollständigen Resultate des zweiten Quartals erlauben. Auf Basis der ebenfalls am Montagabend vorgelegten vorläufigen Zahlen geht Bayer von einem Umsatz von etwa 11,0 Milliarden Euro sowie einem operativen Gewinn von rund 2,5 Milliarden Euro aus. Das wären 14 Prozent respektive etwa 25 Prozent weniger als vor einem Jahr.
Bei der Vorlage der Quartalszahlen wird sich Anderson auch Fragen zur Zukunft von Bayer stellen müssen. So fordern einige Investoren schon länger eine Aufspaltung des Konzerns, da sie die Einzelteile für wertvoller halten als Bayer als Ganzes. Bernstein-Analyst Zechmann sieht denn infolge der aktuellen Gewinnwarnung auch eine gestiegene Wahrscheinlichkeit für Veränderungen.