HANNOVER (dpa-AFX) - Zum zweiten Mal innerhalb von gut einer Woche hat die Warnstreikwelle im öffentlichen Dienst Niedersachsen und Bremen getroffen. Bei einer zentralen Kundgebung in Hannover verteidigte der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Bsirske die Linie der Gewerkschaft vor rund 20 000 Beschäftigten: "20 000, das ist ein starkes Signal und eine klare Botschaft an die Arbeitgeber." Die Mobilisierung der Betroffenen - vor allem auch der Jugendlichen - sei hoch. "Das ist unsere Botschaft für Potsdam", betonte er.
In einer kämpferischen Rede betonte der Gewerkschaftschef, die bisherigen Löhne ermöglichten kein anständiges Leben mehr und würden auch den gestiegenen Anforderungen im Berufsleben nicht mehr gerecht: "Das haut hinten und vorne nicht hin, da muss sich niemand wundern, wenn die Beschäftigten im Nahverkehr gleich zwei Tage im Ausstand bleiben." Auf der Kundgebung betonte er: "Ihr zeigt, dass im Falle einer Nichteinigung in Potsdam mit einer ganz breiten Beteiligung an einem Arbeitskampf zu rechnen ist. Das ist ein klares, ein starkes Signal - die Arbeitgeber brauchen das offensichtlich."
Die Warnstreiks beeinträchtigten den Nahverkehr in den großen Städten Niedersachsens. Bis zum Abend blieben Busse und Stadtbahnen in Hannover, Braunschweig, Göttingen und Hildesheim im Depot. Zu Staus oder größeren Verkehrsproblemen kam es aber zunächst nicht, hieß es von den Polizeidienststellen. "Insgesamt ist es in der Stadt natürlich sehr voll, aber ernste Schwierigkeiten haben wir nicht", sagte ein Polizeisprecher in Hannover. Auch aus Göttingen und Braunschweig hieß es, es sei zwar mehr los auf den Straßen als sonst, Probleme gebe es durch die Warnstreiks aber bisher nicht. Viele griffen angesichts des milden Wetters aufs Rad zurück.
Ebenfalls ganztägig von der Arbeitsniederlegung betroffen waren die städtischen Kitas, Krankenhäuser, Stadtbüchereien und Schwimmbäder. Weil er schon bei den Warnstreiks vor einer Woche nicht abgefahren worden war, türmt sich in Hannover an vielen Orten mittlerweile tonnenweise der Müll. Auch am Dienstag fiel der Abtransport erneut aus. In Bremen kam es ebenfalls zu Einschränkungen und Verzögerungen bei der Müllentsorgung.
Dort und auch in Nordniedersachsen beteiligten sich nach Verdi-Angaben mehr als 3000 Frauen und Männern an den Warnstreiks. In Bussen reisten sie zur Kundgebung nach Hannover. Darunter waren Beschäftigte von zahlreichen kommunalen Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Kliniken. Auch Mitarbeiter verschiedener Verwaltungen sowie der Bundeswehr legten ihre Arbeit nieder. Neben Beschäftigten der Hansestadt beteiligten sich der Gewerkschaft zufolge Arbeitnehmer etwa aus Cuxhaven, Bremervörde (Landkreis Rotenburg), Stade, Diepholz und Nienburg an den Warnstreiks.
Die Gewerkschaften wollen mit ihrem Protest Druck machen für die dritte Tarifverhandlungsrunde am 31. März in Potsdam. Die Gewerkschaften fordern für die 2,1 Millionen Angestellten von Bund und Kommunen eine Erhöhung der Gehälter um einen Sockelbetrag von 100 Euro und dann zusätzlich um weitere 3,5 Prozent. Die Arbeitgeber diskutieren über eine soziale Komponente, haben aber noch kein konkretes Angebot vorgelegt. Bei der vergangenen Verhandlungsrunde hätten sich die Parteien aber schon angenähert, hieß es anschließend.
Der niedersächsische Städte- und Gemeindebund wollte sich auf Anfrage nicht zu den laufenden Verhandlungen der Spitzenverbände äußern.
Auch in der Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Telekom weitete Verdi die Warnstreiks am Dienstag aus und beteiligte sich an den Demos der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Hier wird am Donnerstag in Hannover weiterverhandelt. Verdi fordert eine Erhöhung der Gehälter um 5,5 Prozent. Die Telekom hatte eine Lohnanhebung von drei Prozent verteilt auf zwei Jahren für die 72 000 Tarifbeschäftigten vorgeschlagen.kr