DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der erste große Tarifabschluss 2015 in der Metall- und Elektroindustrie stellt nach Ansicht des WSI-Tarifarchivs Weichen für Reallohnzuwächse in Deutschland. "Der Pilotabschluss von 3,4 Prozent ist eine Marke, die man jetzt nicht abschreiben, aber sich genau anschauen wird", sagte der Tarifexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Reinhard Bispinck, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Wir rechnen im Jahresdurchschnitt 2015 mit 1 Prozent Preissteigerungsrate." Am Jahresende werde ein kräftiges reales Plus übrig bleiben. Der Abschluss setze auch ein deutliches Signal gegen die Diskussion, dass man wegen der geringen Preisentwicklung auch bei den Löhnen und Gehältern ein bisschen auf die Bremse treten müsste.
Unmittelbare Signalwirkung sieht Bispinck insbesondere für die bereits laufenden Tarifverhandlungen in der chemischen Industrie. Aber auch auf die ebenfalls bereits laufenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder habe der Politabschluss in der Metall- und Elektroindustrie eine Signalwirkung. "Auch wenn die Ausgangslage nicht vergleichbar ist, gibt es eine Ausstrahlungskraft auf den öffentlichen Dienst der Länder. Schon allein deshalb, weil die Gewerkschaften sagen, der Abstand zur Privatwirtschaft darf nicht größer werden, sondern er muss kleiner werden, wenn sich die Lücke von Mitte der 2000er Jahre wieder schließen soll", erläuterte er. Laut der jüngsten WSI-Studie haben die Reallöhne in Deutschland erstmals wieder das Niveau der Jahrtausendwende erreicht. Ende 2014 lagen demnach die durchschnittlichen Bruttolöhne je Beschäftigtem preisbereinigt um 1,4 Prozent höher als im Jahr 2000. Schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Deregulierung am Arbeitsmarkt hätten nach der Jahrtausendwende die Entwicklung der Arbeitseinkommen gebremst. Der Niedriglohnsektor habe auf dem Arbeitsmarkt an Bedeutung gewonnen. Am Tiefpunkt im Jahr 2009 hätten die realen Bruttolöhne um 4,3 Prozent niedriger gelegen als im Jahr 2000. Erst in den vergangenen Jahren, in denen die Löhne real meist zulegten, hätten die Verluste wieder wettgemacht werden können.