Berlin, 16. Apr (Reuters) - Bundesfinanzminister Olaf Scholz rechnet trotz anhängiger Verfassungsklagen in Deutschland nicht mit Problemen bei der gemeinsamen Schuldenaufnahme der EU für den Corona-Wiederaufbaufonds. "Wir wissen nicht, was das Bundesverfassungsgericht machen wird", sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Freitag in Berlin. Die Regierung habe aber gute Argumente auf ihrer Seite. "Wir sind deshalb gut gerüstet gegen die erhobenen Verfassungsklagen." Erfahrungen mit ähnlichen Klagen stimmten ihn zuversichtlich, den Ratifizierungsprozess in Deutschland zeitnah abschließen zu können.
Bundestag und Bundesrat hatten Ende März grünes Licht für den sogenannten Eigenmittelbeschluss gegeben. Damit soll der EU-Kommission erlaubt werden, für den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Topf erstmals im großen Stil Schulden aufzunehmen. Wegen der Klagen in Karlsruhe kann das deutsche Gesetz dazu aber noch nicht in Kraft treten.
Dem Eigenmittelbeschluss müssen alle EU-Regierungen zustimmen, mehr als die Hälfte hat dies bereits getan. Kritiker befürchten, dass aus der Sondersituation ein Dauerzustand werden könnte - mit einer tendenziell riesigen Haftung Deutschlands für die Schulden anderer EU-Staaten. CDU/CSU sehen in dem Vorgehen deswegen eine einmalige Aktion, für den Regierungspartner SPD ist es dagegen ein Schritt Richtung Fiskalunion, also gemeinsamer Finanzpolitik in Europa samt gemeinsamer Schulden.
Scholz sagte, der Aufbaufonds sei eine historische Chance, Reformen anzugehen und viel zu investieren. Der Plan für die deutsche Umsetzung sei auf der Zielgeraden. "Er wird in wenigen Tagen finalisiert." Bis Ende April werde er an die EU-Kommission gesendet. Der Großteil des Geldes soll in Klimaschutz und Digitalisierung fließen.
Am stärksten werden allerdings Länder wie Italien und Spanien profitieren, die besonders unter den Folgen der Pandemie zu leiden haben. Sie bekommen die größten Summen aus dem Fonds. Erste Auszahlungen soll es im Frühsommer geben. Das geht allerdings nur, wenn sich der Ratifizierungsprozess nicht verzögert.