BERLIN (dpa-AFX) - Die SPD-Spitze hat die Ausnahme-Regelungen beim Mindestlohn von Arbeitsministerin Andrea Nahles gegen Angriffe aus dem Gewerkschaftslager verteidigt. Übergangsregeln etwa für Saisonarbeiter und Zeitungszusteller seien notwendig und von Anfang an verabredet gewesen, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.
Die für Donnerstag vorgesehene Verabschiedung des Gesetzes sei "ein ganz großer Schritt für mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland", sagte Oppermann weiter. "Das ist eine Sozialreform von historischem Ausmaß." SPD-Vize Olaf Scholz sagte der dpa, Nahles habe einen klugen Vorschlag vorgelegt.
Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde soll ab 2015 gelten und sieht in bestimmten Bereichen Übergangsregelungen bis 2017 vor. Bisher haben 21 von 28 europäischen Staaten eine Mindestlohnregelung.
Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die von der Union verfochtenen Änderungen am Entwurf von SPD-Ministerin Nahles. Der DGB kündigte bis zur Verabschiedung im Bundestag einen "Endspurt für einen Mindestlohn ohne Ausnahmen" an. DGB-Chef Reiner Hoffmann erklärte anlässlich einer Expertenanhörung im Arbeitsausschuss des Bundestages am Montag: "Leider haben sich mächtige Lobbygruppen in den letzten Wochen auf den Weg gemacht, um das Mindestlohngesetz wieder zu durchlöchern."
Bei der Anhörung wurde deutlich, dass die Arbeitgeberseite weiterhin massive Vorbehalte gegen die Mindestlohnregelung hegt. Das Tarifautonomiestärkungsgesetz, das diese enthält, schwäche eher die Tarifautonomie, hieß es. Umstritten sind weiterhin die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt. Hier gebe es noch keine eindeutigen Untersuchungen, machte ein Vertreter des IAB-Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit deutlich.
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte "Spiegel Online" am Montag: "Die aktuelle Kritik am Mindestlohn ist völlig überzogen und unsachgemäß." Der Mindestlohn komme wie versprochen: "8,50 Euro flächendeckend, keine Branche wird ausgenommen. Für mindestens 3,7 Millionen Beschäftigte bedeutet dies künftig eine bislang nicht gekannte Absicherung."
Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Klaus Barthel, lehnt die jüngsten Vereinbarungen mit der Union strikt ab. "Die angedachten weiteren Ausnahmen beim Mindestlohn belegen, dass es einigen in der Union nicht um die sachgerechte Umsetzung des Koalitionsvertrages geht, sondern um die systematische Durchlöcherung des Mindestlohnes bis zur Unkenntlichkeit", sagte er "Handelsblatt Online".
Agrarminister Christian Schmidt (CSU) wies die Kritik zurück. "Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn für Betriebe im Obst- und Gemüseanbau sind keine Durchlöcherung des Gesetzes, sondern ein Beitrag zur Überlebensstrategie heimischer Betriebe", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Montag). Für den Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer (CSU), geht das Vorhaben "nach wie vor wirtschaftspolitisch in die falsche Richtung". Er sagte der "Bild"-Zeitung, "viele Wirtschaftspolitiker der Union" würden dem Gesetz nicht zustimmen.
Die Linke hält die geplanten Regelungen für verfassungswidrig. "Das Nahles-Gesetz liest sich wie eine Satire auf das SPD-Wahlprogramm. Das ist Betrug an den Wählern und an den SPD-Mitgliedern", sagte Parteichef Bernd Riexinger der "Frankfurter Rundschau" (Montag). "Die Ausnahmen haben in Karlsruhe niemals Bestand, weil sie eklatant gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen."/rm/DP/bgf