KIEW/BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das Ergebnis der Präsidentenwahl in der Ukraine als klares Bekenntnis zur Einheit des Landes gewertet. In einem Telefonat gratulierte sie am Dienstag dem Wahlsieger Petro Poroschenko. Beide seien sich einig gewesen, dass es nun vor allem darum gehe, die Versöhnung weiter voranzutreiben, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Doch auch nach der Wahl, von der sich der Westen eine Stabilisierung der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik erhofft, gehen die Kämpfe im Osten des Landes mit großer Härte weiter. Nach heftigen Gefechten mit prorussischen Aufständischen sei der Flughafen der Millionenstadt Donezk zurückerobert worden, teilte Innenminister Arsen Awakow am Dienstag in Kiew mit. Im benachbarten Gebiet Lugansk sei ein Ausbildungslager der "Terroristen" mit einem Luftangriff zerstört worden
Bürgermeister Alexander Lukjantschenko sprach von mindestens 40 Toten bei Gefechten in Donezk, darunter 2 Zivilisten. Die Großstadt wird von militanten prorussischen Kräften geführt, die die Kiewer Regierung nicht anerkennen.
Präsident Poroschenko hatte gleich nach seiner Wahl am Sonntag eine Verschärfung der "Anti-Terror-Operation" gegen die Separatisten angekündigt. Gleichzeitig bot er einen Dialog mit Moskau an.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief die Ukraine dazu auf, den Militäreinsatz gegen die Bevölkerung im Osten des Landes sofort zu beenden. Die Gewalt müsse nach dem Wahlsieg des Unternehmers Poroschenko umgehend aufhören, sagte Lawrow.
Im Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine sind die Positionen weiter verhärtet. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warf Moskau eine "unkonstruktive Haltung" vor und drohte mit einer Klage beim Internationalen Schiedsgerichtshof.
Bei Krisen-Gesprächen unter Vermittlung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Berlin hatte es am Montag keine Einigung gegeben.
Russland will erst über mögliche Rabatte verhandeln, wenn die Ukraine einen Teil ihrer Schulden von inzwischen 3,5 Milliarden US-Dollar begleicht. Kiew soll das Geld bis Ende der Woche überweisen. Ansonsten will Gazprom von kommender Woche an nur noch gegen Vorkasse liefern. Die Ukraine ist ein wichtigstes Transitland für Gaslieferungen in die EU.
Aus Sicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) muss der Gasstreit deutschen Verbrauchern noch kein Kopfzerbrechen bereiten. Wie viele westeuropäische Staaten kann die Bundesrepublik einen möglichen Stopp russischer Erdgaslieferungen durch die Ukraine verkraften, hieß es in einer Studie im Auftrag der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Es gebe ausreichend Reserven und Lieferwege um die Ukraine herum.
"Wir können relativ entspannt sein", sagte DIW-Ökonomin Claudia Kemfert. Durch die Nord-Stream-Pipeline durch die Ostsee fließe russisches Erdgas direkt nach Deutschland, durch die Jamal-Pipeline aus Weißrussland außerdem über Polen. Ein Viertel des deutschen Jahresverbrauchs lagere in Speichern.
Nach DIHK-Schätzung kostet die Ukraine-Krise mit Exportausfällen nach Russland die deutsche Wirtschaft mindestens fünf Milliarden Euro an Umsatz. Die Ausfuhren nach Russland und in die Ukraine würden geschätzt um jeweils zehn Prozent schrumpfen, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, in Berlin. Diesen Dämpfer dürfte Export-Vizeweltmeister Deutschland bei Gesamtausfuhren von gut einer Billion Euro aber leicht wegstecken.st/DP/stb