(Letzter Satz im 5. Absatz zum Umsatz in Relation zur Markterwartung präzisiert)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Chemikalienhändler Brenntag (ETR:BNRGn) wird nach Gewinnrückgängen im zweiten Quartal etwas vorsichtiger für das Gesamtjahr. Das Marktumfeld sei weiterhin vom Krieg in der Ukraine, von geopolitischen Spannungen sowie von einem hohen Inflationsdruck geprägt, teilte der Dax-Konzern am Mittwoch in Essen mit. Dabei sei es denkbar, dass es aufgrund einer geringeren Nachfrage zu Preissenkungen in den Lieferketten von Brenntag kommen könnte. Die Unternehmensführung senkte daher das obere Ende der Prognosespanne für den operativen Gewinn etwas.
Für das zweite Halbjahr geht Unternehmenschef Christian Kohlpaintner von einer besseren Nachfrage aus. "Vor dem Hintergrund der seit Jahresbeginn zu beobachtenden sequenziellen Mengenerholung sowie der Anzeichen, dass die Talsohle der Bestandskontrollmaßnahmen auf Kundenseite durchschritten ist, sind wir zuversichtlich, dass die Absatzmengen in der zweiten Jahreshälfte 2023 höher sein werden als in den ersten sechs Monaten."
Im Gesamtjahr rechnet das Unternehmen nun mit einem bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (operatives Ebitda) von 1,6 Milliarden bis 1,7 Milliarden Euro. Zuvor hatte Brenntag bis zu 1,8 Milliarden Euro im Visier. Im zweiten Quartal ging das operative Ergebnis im Jahresvergleich um fast ein Viertel auf knapp 410 Millionen Euro zurück. Analysten hatten im Schnitt mit etwas weniger operativem Gewinn gerechnet.
Dabei lief es für Brenntag operativ in beiden Sparten - Specialties und Essentials - schlechter. Im Geschäftsfeld Specialties konzentriert sich Brenntag auf den Vertrieb von Inhaltsstoffen für ausgewählte Branchen. Im Bereich Essentials vermarktet das Unternehmen Prozesschemikalien.
Unter dem Strich blieb im Quartal ein auf die Aktionäre entfallender Gewinn von 186,9 Millionen Euro nach 287,5 Millionen Euro im Vorjahr. Mit 4,26 Milliarden Euro schrumpfte der Umsatz um fast 16 Prozent. Das war weniger Umsatz als Experten erwartet hatten.
Für Analyst Chris Counihan von dem Analysehaus Jefferies liegt das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) des Chemikalienhändlers im Rahmen der Erwartungen. Der Geschäftsbereich Specialties habe zwar seine Schätzung getroffen, die Konsenserwartung aber verfehlt. Die Margen seien dort deutlich gesunken. Der operative Mittelzufluss sei derweil auf Jahressicht stark gestiegen.
Derweil geht der Konzern den nächsten Schritt, um seine beiden Sparten unabhängiger aufzustellen. So baut das Unternehmen die Führung um. Mit einer Neuausrichtung des Vorstands wertet der weltgrößte Chemikalienhändler die Spitzen der beiden Sparten auf und verlagert zudem bestimmte Funktionen, Verantwortlichkeiten und Aktivitäten von der Konzernebene in die zwei Sparten. Der Vorstand verkleinert sich dabei von fünf auf vier Mitglieder.
Brenntag war zuletzt in das Visier aktivistischer Investoren geraten. Dabei macht vor allem der britische Finanzinvestor Primestone auf sich aufmerksam, der gut zwei Prozent an Brenntag hält. Primestone wie auch dem US-Hedgefonds Engine Capital geht es darum, dass sich Brenntag in die beiden Sparten für Spezial- und Basischemikalien aufspalten soll. Davon erhoffen sich die Investoren eine schnelle Wertsteigerung.
Brenntag handelt international mit Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen. Das Unternehmen kauft die Stoffe bei Chemiekonzernen in größeren Mengen ein und verkauft sie in kleineren Mengen. In den vergangenen Jahren ist Brenntag mithilfe kleinerer Übernahmen gewachsen. Konjunkturabschwünge treffen das Unternehmen in der Regel weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann weniger Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen. Zuletzt beschäftigte Brenntag mehr als 17 500 Mitarbeiter in 72 Ländern.