Börsen-Zeitung: Rettungsplan mit Fehlern, Marktkommentar von Dieter
Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - An den internationalen Kapitalmärkten mehren
sich die Anzeichen für eine Verschärfung der europäischen
Schuldenkrise. Der Euro rutscht langsam, aber sicher immer weiter ab.
Er notiert inzwischen unter 1,32 Dollar, womit er ein
Siebenwochentief markiert. Der Dax ist zeitweise unter 5400 Punkte
gefallen. Besonders besorgniserregend ist, dass Italien am Freitag in
einer Auktion von kurzlaufenden Staatspapieren den Investoren schon
wieder höhere Zinsen bieten musste, um die Titel loszuwerden. Für die
zweijährige Laufzeit waren es 7,8%, verglichen mit 4,6% vor einem
Monat. Der Regierungswechsel in Rom hat das Vertrauen der Investoren
also nicht nennenswert erhöht. Das arg bedrängte Land hat an den
Märkten nicht mehr als ein paar Tage Verschnaufpause erhalten, bevor
sich der Anstieg der Renditen wieder fortsetzte. Zur weiteren
Verschlechterung des Sentiments hat insbesondere beigetragen, dass
Bundeskanzlerin Angela Merkel den gemeinsamen Eurozonen-Bonds erneut
eine Absage erteilte.
Damit dürfte klar sein, dass die Maßnahmen, die die europäische
Politik bislang angeboten und umgesetzt hat, um die Krise in den
Griff zu bekommen, nicht ausreichend sind. Soll die Lage nicht
langsam, aber sicher außer Kontrolle geraten, sind sehr viel weiter
gehende Schritte zur Krisenbewältigung erforderlich.
Spürbare Entlastung
Wie es scheint, sind sich die EU-Kommission, die Regierungen der
Krisenstaaten und auch viele Akteure auf den Kapitalmärkten
weitgehend darüber einig, was nun zu tun ist: Die Einführung
gemeinsamer Anleihen in der Eurozone würde für eine erhebliche
Entlastung der hoch verschuldeten Staaten sorgen. Wie die Analysten
der Unicredit vorrechnen, würde sich bei Zugrundelegung der aktuellen
Zinsniveaus und deren Gewichtung mit dem Bruttoinlandsprodukt der
Eurozonenstaaten in der fünfjährigen Laufzeit eine Rendite der
Eurozonen-Bonds von 3,35% ergeben. Wenn man noch die Schuldenstände
berücksichtigt, käme man auf 4,45%. Allerdings müssen die EU und der
Rettungsschirm European Financial Stability Facility (EFSF) in diesem
Laufzeitenbereich gerade einmal 2,5 bis 3% bieten - die EFSF-Bonds
notierten zunächst mit einem Renditeaufschlag von null bis 25
Basispunkten (BP) gegenüber von der EU selbst aufgelegten Bonds,
bevor sich dieser Spread zuletzt auf rund 75 BP ausweitete. Ein
Zinsniveau von 2,5% im fünfjährigen Bereich wäre sicherlich auch dem
deutschen Steuerzahler zuzumuten, denn die Bundesrepublik müsste bei
ihrer Kreditaufnahme eine nur um etwas mehr als 1 Prozentpunkt höhere
Rendite verkraften. Von den Krisenstaaten wäre aber der Druck
genommen. Und wenn dann noch die Europäische Zentralbank (EZB) mit
ihren als Notenbank praktisch unendlich tiefen Taschen als 'lender of
last resort' auftreten würde, hätten auch die bösen Spekulanten keine
Chance mehr, die notleidenden EU-Staaten noch weiter an den Abgrund
zu drängen. Die Welt wäre also gerettet.
Dieses Szenario hat allerdings Schönheitsfehler. Es setzt nämlich
erstens voraus, dass sich die Krisenstaaten künftig freiwillig und
auch ohne ernst zu nehmende Kontrolle - die es ja im
Maastricht-Vertrag bekanntlich nicht gibt - den bisherigen
Ausgabenexzessen versagen und auf den Pfad der Tugend einschwenken.
Und zweitens müssten die Marktteilnehmer, die den Regierungen derzeit
den Reformeifer und die Bereitschaft zum Sparen offensichtlich
absprechen, von dem beschriebenen Sinneswandel überzeugt sein. Beide
Annahmen sind nicht besonders realistisch. Zu erwarten wäre vielmehr,
dass die Regierungen auf Druck ihrer leidgeprüften Bevölkerungen die
Sozialkürzungen aussetzen und weitere Maßnahmen vermeiden. Das
Vertrauen der Investoren würde rasch wieder verloren gehen, und der
Anstieg der Renditen würde erneut beginnen - und dann auch Staaten
wie Deutschland betreffen. Und ferner wäre auch davon auszugehen,
dass das Vertrauen in die Solidität der EZB stark leiden würde. Unter
die Räder käme in diesem Fall der Euro, der auch unter einer wegen
der stark ausgeweiteten Bondkäufe kräftig steigenden Inflation leiden
würde.
So gesehen lässt sich der Standpunkt der Bundesregierung auch aus
Marktsicht nachvollziehen, dass nämlich vor den Eurozonen-Bonds
Änderungen der EU-Verträge stehen müssen, die den ausufernden
Haushaltsdefiziten der Mitgliedsstaaten einen wirksamen Riegel
vorschieben. Je schneller diese Strukturreformen der EU angegangen
werden, umso eher wird die europäische Schuldenkrise überwunden sein.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - An den internationalen Kapitalmärkten mehren
sich die Anzeichen für eine Verschärfung der europäischen
Schuldenkrise. Der Euro rutscht langsam, aber sicher immer weiter ab.
Er notiert inzwischen unter 1,32 Dollar, womit er ein
Siebenwochentief markiert. Der Dax ist zeitweise unter 5400 Punkte
gefallen. Besonders besorgniserregend ist, dass Italien am Freitag in
einer Auktion von kurzlaufenden Staatspapieren den Investoren schon
wieder höhere Zinsen bieten musste, um die Titel loszuwerden. Für die
zweijährige Laufzeit waren es 7,8%, verglichen mit 4,6% vor einem
Monat. Der Regierungswechsel in Rom hat das Vertrauen der Investoren
also nicht nennenswert erhöht. Das arg bedrängte Land hat an den
Märkten nicht mehr als ein paar Tage Verschnaufpause erhalten, bevor
sich der Anstieg der Renditen wieder fortsetzte. Zur weiteren
Verschlechterung des Sentiments hat insbesondere beigetragen, dass
Bundeskanzlerin Angela Merkel den gemeinsamen Eurozonen-Bonds erneut
eine Absage erteilte.
Damit dürfte klar sein, dass die Maßnahmen, die die europäische
Politik bislang angeboten und umgesetzt hat, um die Krise in den
Griff zu bekommen, nicht ausreichend sind. Soll die Lage nicht
langsam, aber sicher außer Kontrolle geraten, sind sehr viel weiter
gehende Schritte zur Krisenbewältigung erforderlich.
Spürbare Entlastung
Wie es scheint, sind sich die EU-Kommission, die Regierungen der
Krisenstaaten und auch viele Akteure auf den Kapitalmärkten
weitgehend darüber einig, was nun zu tun ist: Die Einführung
gemeinsamer Anleihen in der Eurozone würde für eine erhebliche
Entlastung der hoch verschuldeten Staaten sorgen. Wie die Analysten
der Unicredit vorrechnen, würde sich bei Zugrundelegung der aktuellen
Zinsniveaus und deren Gewichtung mit dem Bruttoinlandsprodukt der
Eurozonenstaaten in der fünfjährigen Laufzeit eine Rendite der
Eurozonen-Bonds von 3,35% ergeben. Wenn man noch die Schuldenstände
berücksichtigt, käme man auf 4,45%. Allerdings müssen die EU und der
Rettungsschirm European Financial Stability Facility (EFSF) in diesem
Laufzeitenbereich gerade einmal 2,5 bis 3% bieten - die EFSF-Bonds
notierten zunächst mit einem Renditeaufschlag von null bis 25
Basispunkten (BP) gegenüber von der EU selbst aufgelegten Bonds,
bevor sich dieser Spread zuletzt auf rund 75 BP ausweitete. Ein
Zinsniveau von 2,5% im fünfjährigen Bereich wäre sicherlich auch dem
deutschen Steuerzahler zuzumuten, denn die Bundesrepublik müsste bei
ihrer Kreditaufnahme eine nur um etwas mehr als 1 Prozentpunkt höhere
Rendite verkraften. Von den Krisenstaaten wäre aber der Druck
genommen. Und wenn dann noch die Europäische Zentralbank (EZB) mit
ihren als Notenbank praktisch unendlich tiefen Taschen als 'lender of
last resort' auftreten würde, hätten auch die bösen Spekulanten keine
Chance mehr, die notleidenden EU-Staaten noch weiter an den Abgrund
zu drängen. Die Welt wäre also gerettet.
Dieses Szenario hat allerdings Schönheitsfehler. Es setzt nämlich
erstens voraus, dass sich die Krisenstaaten künftig freiwillig und
auch ohne ernst zu nehmende Kontrolle - die es ja im
Maastricht-Vertrag bekanntlich nicht gibt - den bisherigen
Ausgabenexzessen versagen und auf den Pfad der Tugend einschwenken.
Und zweitens müssten die Marktteilnehmer, die den Regierungen derzeit
den Reformeifer und die Bereitschaft zum Sparen offensichtlich
absprechen, von dem beschriebenen Sinneswandel überzeugt sein. Beide
Annahmen sind nicht besonders realistisch. Zu erwarten wäre vielmehr,
dass die Regierungen auf Druck ihrer leidgeprüften Bevölkerungen die
Sozialkürzungen aussetzen und weitere Maßnahmen vermeiden. Das
Vertrauen der Investoren würde rasch wieder verloren gehen, und der
Anstieg der Renditen würde erneut beginnen - und dann auch Staaten
wie Deutschland betreffen. Und ferner wäre auch davon auszugehen,
dass das Vertrauen in die Solidität der EZB stark leiden würde. Unter
die Räder käme in diesem Fall der Euro, der auch unter einer wegen
der stark ausgeweiteten Bondkäufe kräftig steigenden Inflation leiden
würde.
So gesehen lässt sich der Standpunkt der Bundesregierung auch aus
Marktsicht nachvollziehen, dass nämlich vor den Eurozonen-Bonds
Änderungen der EU-Verträge stehen müssen, die den ausufernden
Haushaltsdefiziten der Mitgliedsstaaten einen wirksamen Riegel
vorschieben. Je schneller diese Strukturreformen der EU angegangen
werden, umso eher wird die europäische Schuldenkrise überwunden sein.
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