Euro im freien Fall: Euro-Dollar-Parität rückt in Griffnähe

Veröffentlicht am 12.07.2022, 08:18
Aktualisiert 12.07.2022, 08:27
© Reuters.
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von Robert Zach 

Investing.com - Der Europäischen Zentralbank (EZB) galoppiert die Inflation davon. Mit der massiven Euro-Abwertung bahnt sich der nächste Preisanstieg in der Eurozone an. In der Theorie müssten die Zinsen deutlich steigen, doch die Euro-Währungshüter wollen das Zinsniveau Mitte Juli um gerade einmal 0,25 Prozentpunkte erhöhen.

Aus Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft der Eurozone haben die Anleger am Dienstag erneut den Euro aus ihren Portfolios geworfen. In der Folge näherte sich der Euro-Kurs der Parität zum Dollar und konnte sich nur knapp über dieser psychologisch wichtigen Marke halten. Mit 1,0005 Dollar erreichte das meistgehandelte Währungspaar der Welt den tiefsten Stand seit 2002. Allein seit Ende Juni hat der EUR/USD nun mehr als 5 Prozent seines Wertes verloren, seit Jahresbeginn sogar fast 12 Prozent.

EUR/USD vs Dollar-Index

Sorgen bereitet den Devisenanlegern vor allem die Abschaltung der Pipeline Nord Stream 1. Hierbei handelt es sich um Routinearbeiten. Bis 21. Juli fließt deshalb kein russisches Gas nach Deutschland. Allerdings wird befürchtet, dass Russland die wichtige Gaspipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb nehmen wird. Diese Angst schürt zumindest die deutsche Regierung zusammen mit der Bundesnetzagentur. In diesem Fall würde nicht nur Deutschland, sondern der gesamten Euro-Zone eine signifikante Rezession drohen. 

Die toxische Kombination aus hoher Inflation und drohender Rezession hält die Anleger von Investments in Europa ab. Stattdessen investieren sie ihr Geld lieber in sichere Staatsanleihen in Übersee. Dies wiederum lässt den Dollar stark aufwerten, der zuletzt den höchsten Stand seit 2002 erreichte. 

Ähnliches geschah bereits 2008. Damals wertete der Dollar im zweiten Halbjahr um 22 Prozent auf, und im Jahr 2020 legte er im ersten Quartal um 7 Prozent zu. In beiden Fällen erreichte der US-Aktienmarkt genau an dem Tag seinen Tiefpunkt, als der Dollar seinen Höchststand erreichte. Ohne einen schwächeren Dollar ist es also nur schwer vorstellbar, dass der Aktienmarkt in den USA seinen Tiefpunkt bereits gesehen hat.

Und laut der ING (AS:INGA) ist ein Ende der Talfahrt des EUR/USD nicht in Sicht. Denn: Eine Verbesserung der Energieversorgung ist in nächster Zeit nicht zu erwarten. Außerdem gibt es kaum Anzeichen dafür, dass die Notenbanker, insbesondere in den USA, von ihrem aggressiven geldpolitischen Straffungszyklus ablassen. All dies spricht laut der ING dafür, dass die Aktienmärkte möglicherweise um weitere 10 Prozent einbrechen und der EUR/USD im schlimmsten Fall auf 0,95 Dollar fallen könnte.

Um der Gemeinschaftswährung wieder etwas Stabilität zu verleihen, müsste die EZB den Markt auf ihrer Sitzung in diesem Monat überraschen, ähnlich wie es die Fed auf der Juni-Sitzung getan hatte, als sie die Zinsen in einem Schritt um 75 statt den erwarteten 50 Basispunkte angehoben hatte. Die Euro-Notenbanker hatten im Juni eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf der Sitzung am 21. Juli in Aussicht gestellt. Wenn nicht jetzt, wann dann, wäre es an der Zeit, die Märkte mit einer großen Zinserhöhung zu überraschen? 

Obwohl die EZB eine weitere Zinserhöhung im September in Aussicht gestellt hat, bestehen derzeit angesichts der sich eintrübenden Wirtschaftsaussichten für den Euroraum Zweifel an der Zeit danach. Der Markt rechnet derzeit nur mit einem Zinsniveau von rund 100 Basispunkten zum Jahresende. Denn: eine zu starke Anhebung der Zinsen könnte die Wirtschaftsaktivität weiter bremsen. Und innerhalb der EZB hoffen viele darauf, dass die Inflation im Herbst ihren Hochpunkt erreichen wird.

Robert Holzmann, EZB-Mitglied und Gouverneur der österreichischen Zentralbank, sagte kürzlich in einem Interview mit CNBC mit Blick auf die Zeit nach September: 

"Wir werden beurteilen müssen, in welche Richtung sich die Wirtschaft entwickelt und wie es um die Inflation bestellt ist. Danach haben wir genügend Spielraum, um den Zinssatz in Schritten von 0,25 oder 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen, je nachdem, was wir für angemessen halten".

Die Zurückhaltung der EZB ist auch auf die Besorgnis über die Auswirkungen einer geldpolitischen Straffung auf die Spreads in der Peripherie und damit auf die Schuldendynamik dieser Länder zurückzuführen. Zu diesem Zweck will sie auch ein neues  Anti-Fragmentierungsinstrument auflegen. Damit sollen die im Trend steigenden EWU-Spreads eingefangen werden.

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