von Robert Zach
Investing.com - Der Euro hat erneut ein neues 20-Jahrestief erreicht. Sorgen über steigende Energiepreise und mögliche Engpässe werfen immer längere Schatten auf die Wirtschaft der Eurozone. Gleichzeitig wertet der vermeintlich sichere Hafen Dollar weiter auf und steigt auf den höchsten Stand seit 2002.
Der Euro verlor bis 13.41 Uhr MEZ gut 0,70 Prozent auf 1,0192 Dollar. Damit kommt er der Parität zum Dollar mit großen Schritten näher. Das neue Mehrjahrestief markierte die Gemeinschaftswährung bei 1,0187 Dollar. In den letzten Minuten hat der Kursverfall eine kleine Pause eingelegt. Von einer Stabilisierung kann jedoch noch keine Rede sein. Die Risiken liegen derzeit klar auf der Unterseite.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Russland hat die Gaslieferungen drastisch gedrosselt. Nur noch 40 Prozent der vereinbarten Mengen fließen nach Deutschland, dem Wirtschaftsmotor der Eurozone. Das lässt die Gaspreise massiv steigen und erhöht das Risiko einer Rezession.
Goldman Sachs (NYSE:GS) schraubte nun seine Prognosen für die Erdgaspreise nach oben und erklärte, eine vollständige Wiederherstellung der russischen Gaslieferungen via Nordstream 1 sei nicht mehr das wahrscheinlichste Szenario.
"Es ist nicht nur die Bedrohung durch ausbleibende Gaslieferungen, die den Euro belastet", zitierte Reuters Moritz Paysen, Devisen- und Zinsspezialist bei Berenberg.
"Die bereits hohen Energiekosten sind eine Last. Die Energiekosten in Europa sind um ein Vielfaches höher als in den USA", fügte er hinzu.
Schon Anfang der Woche lieferte Deutschland Belege für eine drastische Konjunkturabkühlung. Erstmals seit 2008 verzeichnete die größte Volkswirtschaft der Staatengemeinschaft wieder ein Defizit im Außenhandel.
Doch der Euro steht auch wegen der massiven geldpolitischen Divergenz dies- und jenseits des Atlantiks unter Druck.
Während die Federal Reserve (Fed) ihren Leitzins in diesem Jahr bereits um insgesamt 150 Basispunkte angehoben hat, hinkt die EZB gewaltig hinterher. Erst Mitte Juli will sie die Zinsen zum ersten Mal seit 2011 anheben, und dann auch nur um magere 25 Basispunkte. Damit will sie die rekordhohe Inflation in der Eurozone bekämpfen, die sich mit dem schwachen Euro nur noch beschleunigen dürfte, sofern die Institution nicht schleunigst handelt.
Die Frage bleibt: Wie will die EZB den Spagat aus hoher Inflation und schwächelnder Wirtschaft meistern? So mancher Analyst glaubt, dass die Zentralbank zunächst ein paar Mal moderat an der Zinsschraube dreht, aber schon im Dezember wieder den Fuß vom Gaspedal nimmt.