Investing.com - Die türkische Lira stürzt weiter ab. Für 1 Dollar musste man zuletzt 15,13 Lira aufbringen. In der Spitze wurden am Donnerstag sogar 15,28 Lira fällig. Auch zum Euro hat die türkische Landeswährung weiter nachgegeben und einen neuen Tiefstand erreicht.
Grund dafür ist die Erwartungshaltung der Devisenanleger, wonach die türkische Zentralbank heute um 12 Uhr MEZ ihre Zinsen erneut drastisch senken könnte und das, obwohl die Inflation mit 21,3 Prozent im November so hoch stand wie seit November 2018 nicht mehr - und ein Ende des Anstiegs nicht in Sicht ist.
"Wir glauben, dass die Inflation in den nächsten Monaten aufgrund der Lira-Abwertung auf etwa 30 Prozent ansteigen wird, bevor sie Mitte des nächsten Jahres wieder zurückgeht", schrieben die Analysten von Capital Economics in einer Notiz.
"Dies entspricht im Großen und Ganzen der historischen Beziehung zwischen der Entwicklung der Lira und der Inflation sowie den Erfahrungen aus anderen Schwellenländern, die Währungskrisen durchlebt haben. Dabei handelt es sich nicht um das gefürchtete Szenario einer Hyperinflation, von dem einige gesprochen haben. Doch dürfte die Inflation auf dem seit 2011 zu beobachtenden generellen Aufwärtspfad bleiben."
Dem Median der Schätzungen von Investing.com befragten Analysten zufolge dürfte die Zentralbank ihren einwöchigen Repo-Satz am Donnerstag um weitere 100 Basispunkte auf 14 Prozent reduzieren.
Seit September haben die Notenbanker den Zinssatz bereits um 400 Basispunkte gesenkt und somit den Forderungen von Präsident Recep Tayyip Erdogan nach einer lockeren Geldpolitik weitgehend Rechnung getragen, der glaubt, damit das Wachstum anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Wechselkurse USD/TRY und EUR/TRY haben im gleichen Zeitraum um 75 Prozent bzw. 69 Prozent an Wert gewonnen.
Am Vorabend der zinspolitischen Entscheidung hatte Erdogan laut offizieller Mitteilung vier hochrangige Beamte aus dem türkischen Finanzministeriums entlassen. Zwei Wochen zuvor hatte er Nureddin Nebati zum Finanzminister ernannt, einen ehemaligen Abgeordneten der Regierungspartei, der die unorthodoxe Niedrigzinspolitik des Präsidenten unterstützt.
Drohen Kapitalverkehrskontrollen?
In früheren Krisen hat die Türkei zur Stabilisierung der Lage milde Formen von Kapitalverkehrskontrollen eingesetzt (z.B. durch Begrenzung von Währungsswaps, um Leerverkäufe der Lira zu erschweren). Wenn die politischen Entscheidungsträger nicht bereit sind, die Zinsen zu erhöhen, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass sie härtere Kapitalverkehrskontrollen erlassen, sollte sich die angespannte Zahlungsbilanz als destabilisierend erweisen.
Diese könnten in Form von Obergrenzen oder Steuern auf den Kauf von Fremdwährungen oder in Form von langwierigen Genehmigungsverfahren für grenzüberschreitende Transaktionen erfolgen. Solche Maßnahmen könnten kurzfristig zur Stabilisierung der Lira beitragen, falls sich die Stimmung weiter eintrübt, aber langfristig wären sie nicht nachhaltig.