Nach einer tagelangen Hängepartie haben die EU und Kanada das umstrittene Handelsabkommen Ceta unterzeichnet. Kanadas Premierminister Justin Trudeau und die Spitzenvertreter der EU setzten am Sonntag in Brüssel mit dreitägiger Verspätung ihre Unterschriften unter den Vertrag. Das jahrelang verhandelte Abkommen war zuvor fast an Belgien gescheitert. Der Weg bis zum vollständigen Inkrafttreten von Ceta ist aber immer noch lang.
Für die EU unterzeichneten Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sowie der slowakische Regierungschef Robert Fico als amtierender EU-Ratsvorsitzender. Ursprünglich war dies bereits am Donnerstag geplant gewesen, das Gipfeltreffen scheiterte jedoch zunächst am Widerstand der belgischen Wallonie.
In Nachverhandlungen wurde dann ein Kompromiss erzielt, der unter anderem Zugeständnisse bei den umstrittenen Schiedsgerichten und dem Schutz der Landwirtschaft vorsieht. Der Regierungschef der Wallonie, Paul Magnette, verkündete, mit der erreichten Zusatzerklärung sei der Vertrag nun "gerechter als das alte Ceta".
Am Samstag unterzeichnete Belgien dann als letztes EU-Mitglied das Abkommen. Die kanadische Regierung äußerte sich erleichtert über die Zustimmung der EU-Staaten.
Ceta soll im Handel zwischen der EU und Kanada 99 Prozent der derzeitigen Zölle abschaffen. Als nächstes wird der Handelspakt nun dem Europaparlament zur Ratifizierung vorgelegt. Erst dann können die ausschließlich unter EU-Kompetenz fallenden Teile des Abkommens vorläufig in Kraft gesetzt werden.
Damit das Abkommen vollständig und dauerhaft in Kraft treten kann, müssen aber auch die nationalen Parlamente zustimmen. Eine Frist dafür gibt es nicht. In Deutschland liegt die Ratifizierung beim Bundestag. Ob auch der Bundesrat zustimmen muss, ist noch nicht abschließend geklärt.
Das Bundesverfassungsgericht musste sich am Wochenende bereits mit neuen Eilanträgen von Ceta-Kritikern befassen. Eine Sprecherin des höchsten deutschen Gerichts bestätigte am Sonntag den Eingang eines Eilantrags der drei Organisationen Campact, Foodwatch und Mehr Demokratie.
Am Freitag hatte bereits die Linke einen Eilantrag gegen die vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens eingereicht. Die Anträge würden "mit der gebotenen Eilbedürftigkeit geprüft", sagte die Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts.
Die Karlsruher Richter hatten Ceta vor zwei Wochen unter Auflagen vorläufig gebilligt. Dem Urteil zufolge kann die Bundesregierung das Abkommen wie unterdessen geschehen unterzeichnen, wenn sichergestellt ist, dass Deutschland aus Ceta wieder aussteigen kann - falls es dazu durch ein späteres Karlsruher Urteil gezwungen wird.
Die Linke sieht diese Auflage nicht hinreichend erfüllt. Auch Campact, Foodwatch und Mehr Demokratie verfolgen mit ihrem Eilantrag in Karlsruhe das Ziel, die Bundesregierung zu einer Erklärung zu verpflichten, dass das Abkommen in Deutschland nicht vorläufig angewandt wird.
Für die Kritiker werden durch Ceta die Handelshemmnisse vor allem im Interesse exportorientierter Großkonzerne und Investoren abgebaut. Der Schutz von Verbrauchern und Umwelt werde dem untergeordnet. Besonders problematisch sei, dass Ceta Konzernen Sonderklagerechte garantiere.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Unterzeichnung des Abkommens als "neues Kapitel im Welthandel: fairer Handel statt nur freier Handel." Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, befand: "Das Ergebnis nutzt Verbrauchern und Unternehmen mit ihren Beschäftigten."
Dagegen erklärte Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund), die Unterschriften von Millionen Europäern gegen Ceta seien ebenso ignoriert worden wie Großdemonstrationen. Auf dem Spiel stünden jetzt "Umwelt- und Sozialstandards, Mitbestimmungsrechte, der Verbraucherschutz und die Unabhängigkeit der Gerichte".