FRANKFURT (dpa-AFX) - Ohne die Aussicht auf ein absehbares Ende der Zinserhöhungen ergreifen die Anleger am Donnerstag vorerst die Flucht aus Aktien. Erwartungsgemäße Zinserhöhungen der EZB und der Bank of England gaben den Anlegern keinen Grund zur Zufriedenheit. Kritisch gesehen werden derzeit vor allem die Projektionen der US-Währungshüter, die weitere Zinsanhebungen statt einer erneuten Zinswende erwarten lassen.
Der Dax fiel nach dem Entscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) auf das niedrigste Niveau seit fast einem Monat. Zuletzt büßte der deutsche Leitindex 1,90 Prozent auf 14 185,34 Punkte ein. Der MDax fiel außerdem um 1,25 Prozent auf 25 552,54 Zähler, während der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 2,1 Prozent an Wert verlor. Auch die US-Börsen (ETR:SXR4) werden unter Druck erwartet.
Die europäischen Notenbanken, darunter auch die Schweizer und die Norweger, machten es der US-Fed gleich und erfüllten am Donnerstag mit ihren Zinserhöhungen die Erwartungen. Im Zentrum der Debatte stehen derzeit aber mehr die Projektionen in die Zukunft: Die EZB sorgte am Donnerstag für Aufsehen mit nach oben geschraubten Inflationserwartungen und einer andererseits für 2023 gekürzten Wachstumsprognose.
"Damit wird das so gefürchtete Stagflationsszenario ein gutes Stück wahrscheinlicher", schrieb Marktbeobachter Thomas Altmann von QC Partners. Von Anlegern kritisch gesehen wurde auch die Aussage, dass die EZB ihre Anleihenbestände von März an schrittweise zurückfahren will. Laut Altmann wird es dann für die Märkte erst richtig ernst. "Indem die EZB die Rückzahlungsbeträge aus fälligen Anleihen nicht vollständig reinvestiert, wird sie dem Markt Liquidität entziehen", schrieb der Experte in einem ersten Kommentar.
Der sinkende Bedarf, Aktien ins Depot zu legen, zeigte sich auch auf Seiten der Einzelwerte. Positive Kursentwicklungen waren in den drei großen Indizes der Dax-Familie rar. Im Leitindex schlug sich die Deutsche Telekom (ETR:DTEGn) , die bei Anlegern als defensive Anlage geschätzt wird, mit einem leichten Abschlag von 0,2 Prozent mit am besten. Im MDax war die Lufthansa (ETR:LHAG) eine positive Ausnahme, die Papiere setzten ihre Erholung mit einem Anstieg um 1,2 Prozent fort.
Auf den Verliererlisten standen Aktien, für die steigende Zinsen als Problem angesehen werden. Dazu zählt vor allem die Technologiebranche wie etwa Online-Werte, deren Wachstum höhere Finanzierungskosten bremsen können. Die Aktien der Modehändler Zalando (ETR:ZALG) und About You (ETR:YOUG) sackten in ihren Indizes Dax und SDax um fast sechs Prozent ab, während Delivery Hero (ETR:DHER) im MDax knapp vier Prozent verloren.
Das Schlusslicht im SDax wurde aber Ceconomy (OTC:MTTRY) mit einem Kursrutsch um 7,1 Prozent. Der Elektronik-Händler peilt zwar im neuen Geschäftsjahr einen leichten Umsatzanstieg und eine deutliche Ergebnisverbesserung an, Anleger trauen der Sache aber offenbar nicht. Das Unternehmen selbst äußerte sich unter dem Vorbehalt, dass sich die Konjunkturbedingungen nicht weiter verschlechtern und der Elektronik-Markt nur moderat schrumpft.
Im Dax weit hinten zu finden waren die 4,3 Prozent schwächeren Papiere der Deutschen Post (ETR:DPWGn) . Analyst Samuel Bland von der US-Bank JPMorgan (NYSE:JPM) erwartet in einer Studie kurzfristig negative Nachrichten vom Logistikkonzern. Dieser könnte mit der Vorlage der Jahreszahlen für 2022 die Mittelfristziele senken, so der Experte. Zudem rechnet er im kommenden Jahr mit deutlich sinkenden Frachtraten.
Der Euro hat nach dem EZB-Entscheid seine zuvor erlittenen Verluste etwas reduziert, indem zuletzt 1,0648 US-Dollar gezahlt wurden. Die EZB hatte den Referenzkurs am Vortag in ähnlicher Höhe auf 1,0649 Dollar festgesetzt.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 1,92 Prozent am Vortag auf 1,89 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,22 Prozent auf 128,71 Punkte. Der Bund-Future verlor zuletzt 0,59 Prozent auf 139,41 Punkte.