Zürich (Reuters) - Mit einem überraschend positiven Quartalsabschluss hat sich ABB-Chef Ulrich Spiesshofer Luft verschafft.
Vor allem beim Wachstum überzeugte der Schweizer Elektrotechnikkonzern: Der Auftragseingang schnellte im ersten Quartal 2018 auf den höchsten Wert seit drei Jahren hoch. ABB profitiert dabei nicht nur vom jahrelangen Konzernumbau, sondern auch vom konjunkturellem Rückenwind. "Beim weltweiten Marktausblick haben die Signale auf Wachstum gedreht", erklärte Spiesshofer. Wermutstropfen ist weiterhin die schleppende Entwicklung der Stromnetz-Division, die einige Großanleger abstoßen möchten.
Angesichts der seit vier Jahren stagnierenden Umsätze steht Spiesshofer unter dem Druck der Aktionäre. Doch zu Beginn des laufenden Jahres hellte sich der Ausblick nun auf. "2018 ist für ABB das erste Jahr, in dem alle Märkte entweder stabil sind oder wachsen", erklärte Spiesshofer. Seit 2013 kämpfte der Zürcher Konzern mit mangelnden Bestellungen von Förderunternehmen aus der Öl-, Gas- und Bergbaubranche, die angesichts niedriger Rohstoffpreise wenig in neue Technik investierten. Im ersten Quartal kletterten die Order um sechs Prozent auf 9,77 Milliarden Dollar. Vor allem in China, Indien und den Arabischen Emiraten lief es rund. ABB rechnet damit, dass zwei Drittel der Aufträge im Verlauf des Jahres in Umsatz umgemünzt werden können.
PORTFOLIO-STRAFFUNG: ABB HÄNGT SIEMENS AB
Mit dem weitgehend abgeschlossenen Umbau hat der Konzern einen Vorsprung auf Rivalen wie Siemens (DE:SIEGn) oder die amerikanische General Electric (NYSE:GE). Die beiden Unternehmen kämpfen mit den Folgen der Energiewende, denn die von ihnen produzierten großen Gas- und Dampfturbinen finden immer weniger Abnehmer. ABB hat sich von dem Geschäft dagegen schon vor vielen Jahren getrennt und sich auf die Stromübertragung sowie die Automatisierung von Industrieunternehmen spezialisiert. Die Eidgenossen profitierten damit von Megatrends wie dem zunehmenden Einsatz von Robotern, Elektromobilität oder der steigenden Nachfrage nach erneuerbaren Energie.
Beim Ergebnis profitierte ABB neben den Kostensenkungen auch von Währungsgewinnen, der operative Ebita kletterte um zwölf Prozent auf 1,06 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn sank dagegen um 21 Prozent auf 572 Millionen Dollar. Im Vorjahr hatte der Verkauf des Geschäfts mit Hochspannungskabeln den Gewinn aufgebläht. ABB übertraf mit dem Quartalsabschluss die Analysten-Erwartungen. "Das ist ein ermutigender Schritt in die richtige Richtung", erklärte Kepler Cheuvreux-Analyst William Mackie. Die ABB-Aktie, die seit der Amtsübernahme Spiesshofers 2013 kaum vom Fleck gekommen war, kletterte um fünf Prozent auf 23,70 Franken.
ABB HAT INVESTOREN-MESSLATTE NOCH NICHT ÜBERSPRUNGEN
Trotz der Fortschritte ist ABB aber noch ein gutes Stück von den Vorgaben entfernt. Der zweitgrößte Aktionär, der aktivistische Investor Cevian, hat dem ABB-Management ein Kursziel von 35 Franken vorgegeben, das Spiesshofer auch erreichen will, ohne allerdings einen Zeitrahmen zu nennen. Auch bei den Finanzzielen hat der Konzern noch ein Wegstück vor sich. Das gilt vor allem für den Umsatz. ABB peilt für den Zeitraum 2015 bis 2020 im Schnitt ein jährliches Erlöswachstum von drei bis sechs Prozent an. In den vier vergangenen Jahren haben die Umsätze allerdings stagniert.
Beim Margenziel bremst den Konzern vor allem die Stromnetz-Division. Spiesshofer stellte hier weitere Verbesserungen in Aussicht und zeigte Kritikern, die eine Abspaltung des Geschäfts fordern, die kalte Schulter. Die Entscheidung, an dem Geschäft festzuhalten, sei gefallen: "Der ganze Verwaltungsrat mit all seinen Mitgliedern und das gesamte Management sind hier auf einer Linie." Die Aussage ist deshalb bemerkenswert, weil ein Vertreter von Cevian im Verwaltungsrat sitzt, ein anderer aber erst Anfang Monat wieder erklärt hatte, es sei ein Fehler gewesen, das Stromnetz-Geschäft zu behalten.