Frankfurt (Reuters) - Die Brexit-Regierungskrise in London hat zum Wochenauftakt die europäischen Aktienanleger in Schach gehalten.
Anleger täten gut daran, vorsichtshalber mit dem schlimmstmöglichen Szenario zu rechnen, fasste Fondsmanager Thomas Altmann die Stimmung zusammen. "Von Neuwahlen bis hin zu einem neuen Referendum oder der Akzeptanz des Deals ist hier alles möglich." Vor diesem Hintergrund kamen die Kurse kaum vom Fleck: Der Dax lag am Nachmittag bei 11.356 Punkten minimal im Plus, der EuroStoxx50 notierte 0,3 Prozent höher bei 3190 Zählern. Für die Wall Street signalisierten die US-Futures eine schwächere Eröffnung.
Deutschland und andere EU-Staaten wiesen britische Forderungen nach einer Neuverhandlung des Brexit-Vertragsentwurfs zurück. Premierministerin Theresa May kämpft derweil weiter um ihr politisches Überleben. Sie muss sich womöglich am Dienstag einem Misstrauensvotum stellen. Mehrere Minister sind aus Protest gegen ihre Brexit-Pläne bereits zurückgetreten. "May be or not", titelte LBBW-Analyst Hans-Peter Kuhlmann. "Ihre Gegner von rechts und links wissen allerdings, dass ein ungeordneter Austritt massive Risiken birgt."
Das Pfund Sterling fiel zeitweise um etwa einen halben US-Cent auf weniger als 1,28 Dollar. Die Stimmung bei den britischen Unternehmen ist inzwischen so schlecht, wie seit mindestens neun Jahren nicht mehr, wie Erhebungen des Datenanbieters IHS Markit zeigten.
Neben dem Brexit belasten auch der schwelende Streit um den italienischen Haushalt und der Handelskonflikt USA/China die Märkte. In der vergangenen Woche hatte der Dax 1,6 Prozent verloren. Zudem sieht es derzeit danach aus, als würde der Leitindex erstmals seit 2011 zum Jahresende mit einem Minus schließen.
VERLIERER DER VORWOCHE HOLEN AUF
Zu den Top-Favoriten im EuroStoxx50 zählten Linde (DE:LING), die nach einer Kaufempfehlung der Analysten der Deutschen Bank (DE:DBKGn) zeitweise fast drei Prozent zulegten. In der vergangenen Woche hatten sie über fünf Prozent verloren, womit sie im Dax zu den größten Verlierern gezählt hatten. Auch Infineon (DE:IFXGn) - sie hatten in der Vorwoche sechs Prozent verloren - holten auf und legten bis zu 3,8 Prozent zu. Dazu trug auch die höhere Nachfrage nach Chipwerten an den asiatischen Börsen bei.
Im Fokus der Gespräche stand aber das jähe Aus für Carlos Ghosn, einen der schillerndsten Manager der internationalen Autobranche. Der Architekt der Allianz (DE:ALVG) von Renault, Nissan (T:7201) und Mistubishi soll Firmengelder für private Zwecke verwendet und falsche Angaben über sein Einkommen gemacht haben. Nissan bestätigte Ghosns Festnahme. Die Aktien von Renault stürzten um 15 Prozent auf 54,80 Euro ab. "Das hat das Vertrauen der Anleger in Renault erschüttert", sagte David Madden, Analyst beim Broker CMC Markets in London.
Auf dem Rückzug waren die Anleger auch beim Bitcoin. Die Kryptowährung sackte an der Handelsplattform Bitstamp zeitweise um mehr als fünf Prozent auf ein 13-Monats-Tief von 5173 Dollar ab.