Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will vor Bekanntwerden des Abgasskandals bei Volkswagen (DE:VOWG) keinerlei Anzeichen für Manipulationen bemerkt haben. Bei der Befragung durch den EU-Untersuchungsausschuss am Donnerstag in Brüssel wies Dobrindt jede Mitschuld der Bundesregierung zurück. Auch Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) erklärte, im Vorfeld keine Verdachtsmomente geklannt zu haben.
"VW hat betrogen, und deswegen ist VW dafür verantwortlich", sagte Dobrindt vor dem Ausschuss. Die Bundesregierung habe nach Bekanntwerden des Skandals sofort und umfassend reagiert. "Wir sind das Land in Europa, das umfassend Aufklärung betreibt."
Dobrindt Er stellte die Arbeit der Bundesregierung und des Kraftfahrtbundesamts (KBA) als beispielhaft dar. Nirgends anders in Europa seien seit Bekanntwerden der Abgasaffäre so umfassende Maßnahmen getroffen worden, um eine Wiederholung im Automobilsektor zu verhindern.
"Nach dem 19. September 2015 ist alles intensiv hinterfragt worden", sagte auch Lies in Bezug auf den VW-Konzern. Zuvor habe es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Abgaswerte bei VW-Autos "nicht auf legalem und rechtlich sauberen Weg" eingehalten wurden. Als niedersächsischer Wirtschafts- und Verkehrsminister gehört Lies seit 2013 dem VW-Aufsichtsrat an.
Auch das KBA als Kontrollbehörde konnte nach Dobrindts Darstellung die Manipulationen bei VW nicht vorab vermuten. Tests, die so etwas hätten herausfinden können, seien nicht durchgeführt worden, weil sie über das, was gesetzlich vorgeschrieben war, hinausgegangen wären. "Man muss ja wissen, wonach man sucht", sagte Dobrindt. Das, was Volkswagen gemacht habe, sei neu gewesen.
Diese Haltung stieß bei manchen Europaabgeordneten auf Unverständnis. Es habe schon lange vor September 2015 Hinweise gegeben, dass die Stickoxid-Werte von VW-Fahrzeugen im realen Straßenverkehr weit über den legal zugelassenen Werten lagen, mahnten sie. Die Nachweise gingen bis ins Jahr 2007 zurück. Dobrindt wies das zurück. Dass es aus der damaligen Zeit Beweise für illegale Abschalteinrichtungen gebe, treffe nicht zu.
Der Minister nutzte seinen Auftritt im Europaparlament, um erneut für strengere europäische Vorschriften für legale Abschaltmöglichkeiten der Abgasreinigungsmechanismen zu werben. Solche Vorrichtungen zum Schutz der Motoren sollten nur noch dann möglich sein, wenn die Motoren dem modernsten Stand der Technik genügten. Dafür müsse die geltende EU-Verordnung aus dem Jahr 2007 geändert werden, die in diesem Punkt zu ungenau sei.
Große Unterstützung bekam Dobrindt von den Europaabgeordneten für diesen Vorschlag nicht. "Minister Dobrindt versucht sich aus der Verantwortung zu stehlen", urteile nach der Sitzung die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms. Die deutschen Behörden hätten jahrelang extreme Überschreitungen der erlaubten Emissionswerte akzeptiert.
Jetzt rechtfertige Dobrindt die Untätigkeit mit Unklarheiten in der europäischen Verordnung, kritisierte Harms. "Seine Behörden waren an diesem europäischen Gesetzgebungsverfahren beteiligt und haben anschließend bis zum Bekanntwerden des Skandals keine klarere Formulierung gefordert."
Der Untersuchungsausschuss im Europaparlament war Anfang des Jahres eingesetzt worden. Er soll die Verantwortlichkeiten von Politik und Wirtschaft beim VW-Abgasskandal klären. Volkswagen hatte im September 2015 zugeben müssen, bei Millionen Dieselautos weltweit eine illegale Software eingebaut zu haben, die im Testbetrieb die Abgaswerte künstlich drückt.