BRÜSSEL/GREIFSWALD (dpa-AFX) - Die EU-Kommission schließt Verzögerungen beim Bau der umstrittenen Gasleitung Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland nicht aus. Das sei jetzt noch nicht abzuschätzen, sagte Vizepräsident Maros Sefcovic am Mittwoch in Brüssel. Die angekündigten Verhandlungen der EU-Behörde mit Russland über einen Rechtsrahmen sollen frühestens Ende August oder Anfang September beginnen. Ob sie wirklich zustande kommen, ist offen. Von Russland gebe es bisher keine Zusage hierfür, sagte Sefcovic.
An der Finanzierung des 9,5 Milliarden Euro teuren Projekts der Gazprom (3:GAZPq)-Tochter Nord Stream 2 sind die westeuropäischen Energieunternehmen Wintershall, Shell (7:RDSa), Uniper (4:UN01), OMV (17:OMVV) und Engie (9:ENGIE) beteiligt. Die Leitung soll neben der bestehenden Nord Stream 1 entstehen und schon ab 2019 russisches Gas nach Westeuropa bringen.
Die EU-Kommission hatte in der vorigen Woche überraschend ihre Absicht zu Verhandlungen angekündigt. Sie will vorab die Bedingungen des Betriebs klären, unter anderem den Zugang für Konkurrenten der russischen Gazprom und die Preise für die Durchleitung.
Sefcovic verwies auf laufende Genehmigungsverfahren in den nordischen Ländern. Diese Staaten seien sehr interessiert an dem einheitlichen Rechtsrahmen, den die EU aushandeln wolle. Russland sollte ebenfalls Interesse an Rechtssicherheit haben, fügte er hinzu. Die Kommission braucht für die Verhandlungen ein Mandat der Mitgliedstaaten. Das soll am 26. Juni von den Energieministern besprochen werden.
Nord Stream 2 hält ein internationales Abkommen zwischen der EU und Russland dagegen für unnötig, bekräftigte ein Sprecher am Mittwoch. Mit einem gesonderten Regelwerk dazu würde man eine einzelne wirtschaftliche Investition aufgrund des politischen Stimmungsbildes diskriminieren, hieß es. Es gebe schon Genehmigungsverfahren in den betroffenen Ländern, die auf klaren rechtlichen Vorgaben beruhten.
Gegen Nord Stream 2 gibt es massiven Widerstand in Osteuropa - unter anderem mit dem Argument, Europa mache sich so noch abhängiger von russischem Gas. Die baltischen Länder und Polen sehen ihre Sicherheit bedroht. Die EU fürchtet zudem, dass die Rolle der Ukraine als Transitland für russisches Gas geschwächt werden könnte.