Brüssel/Berlin (Reuters) - Der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber hat sich vor dem EU-Sondergipfel erneut keine Unterstützung einer Mehrheit des EU-Parlaments sichern können.
Ein Treffen der Fraktionsspitzen am Dienstagabend sei ohne Ergebnis über die Besetzung des Postens des Kommissionspräsidenten geblieben, sagte eine Sprecherin der Grünen am Mittwoch. Die anderen großen Parteien - Sozialdemokraten, Liberale und Grüne - hätten sich nicht hinter die Bewerbung des EVP-Fraktionschefs gestellt. Damit sinken nach Einschätzung von EU-Diplomaten die Chancen des Bayern auf den Brüsseler Top-Job, da das Parlament keinen gemeinsamen Bewerber präsentieren kann. Auch die anderen Spitzenkandidaten wie Frans Timmermans (Sozialdemokraten) und Margrethe Vestager (Liberale) dürften dann aber ebenfalls keine Chancen mehr haben.
Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs beraten über die Personalie und andere am Sonntag in Brüssel. Zuvor kommen in Japan auf dem G20-Gipfel die Regierungschefs der größten EU-Länder mit den Spitzen von Kommission und EU-Rat zusammen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel machte am Mittwoch im Bundestag deutlich, dass sie als CDU-Politikerin persönlich Weber unterstützt und als Kanzlerin bei der Besetzung der Position des EU-Kommissionspräsidenten weiter hinter dem Prinzip des Spitzenkandidaten stehe. "Aber die Lage ist kompliziert", räumte sie ein und verwies auf den Widerstand von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Merkel trifft sich am Mittwochabend mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, CSU-Chef Markus Söder, Weber und dem EVP-Präsidenten Joseph Daul, um die Verhandlungslinie zu besprechen. Im Bundestag warf sie den Sozialdemokraten vor, anders als 2014 nicht akzeptieren zu wollen, dass die konservativen Parteienfamilie EVP mit Abstand die stärkste Fraktion im neuen europäischen Parlament geworden ist und deshalb Anspruch auf dem Kommissions-Spitzenposten erhebt.
Weber benötigt für eine Wahl die Unterstützung von zwei bis drei anderen Parteienfamilien. Im EU-Recht ist das sogenannte Spitzenkandidaten-Prinzip nicht vorgesehen. Die Staats- und Regierungschef schlagen vielmehr einen Kandidaten vor, dem das Europaparlament danach aber zustimmen muss. Besetzt werden müssen neben dem Kommissionsjobs auch die Spitzen des Rats, der EZB sowie des diplomatischen Dienstes.
Die EU-Parlamentsfraktionen sind sich nach Angaben aus EVP-Kreisen immerhin einig, dass sie weiter auf dem System der Spitzenkandidaten bestehen wollen. Aus Sicht der EVP ist damit auch ein Bekenntnis verbunden, dass die Parteien geschlossen jeden anderen Personalvorschlag des EU-Rates abblitzen lassen. Bis um Sonder-Gipfel am 30. Juni wollen die Fraktionen zudem ein gemeinsames Arbeitsprogramm über die wichtigsten Punkte der künftigen EU-Politik vorantreiben.