Frankfurt (Reuters) - Eine teilweise chaotisch verlaufene erste TV-Debatte im US-Wahlkampf hat Europas Anleger am Mittwoch verunsichert. Dax und Eurostoxx50 fielen jeweils um 0,6 Prozent auf 12.751 und 3196 Punkte. Der Schlagabtausch zwischen Präsident Donald Trump und seinem Rivalen Joe Biden in der Nacht zu Mittwoch war geprägt von gegenseitigen Beleidigungen und persönlichen Angriffen. “Es war nicht schön anzusehen, beide Kontrahenten nahezu die gesamte Zeit gleichzeitig reden zu hören. Nun wird schon darüber spekuliert, ob es vielleicht die letzte TV-Debatte gewesen sein könnte”, sagte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets.
“SHUT UP, MAN!” - ANLEGER FÜRCHTEN HÄNGEPARTIE NACH WAHLEN
Trump ließ erneut offen, ob er eine Niederlage am 3. November ohne weiteres hinnehmen werde, und warnte vor massivem Wahlbetrug bei der Briefwahl. “Damit wächst unter den Investoren zunehmend die Angst, dass auch die Wahl selbst im Chaos enden könnte, falls Trump eine eventuelle Niederlage nicht akzeptieren sollte”, sagte Stratege Milan Cutkovic vom Handelshaus AxiTrader. Dann fürchten Investoren eine Auseinandersetzung vor Gericht und eine wochenlange politische Hängepartie in der größten Volkswirtschaft der Welt, die das gerade diskutierte Konjunkturpaket immer weiter verzögern könnte.
Einen eindeutigen Sieger des TV-Duells konnten Börsianer nicht ausmachen. “Wenn das der Versuch war, die Meinung von jemanden zu ändern, der unentschlossen ist, glaube ich nicht, dass diese Debatte, wie sie genannt wird, das hinbekommen hat. Sie war außer Kontrolle”, sagte Quincy Crosby, Chefmarktstratege von Prudential Financial (LON:PRU). Davon abgesehen wären weitere vier Jahre Trump manchem Börsianer nur recht. Denn Analysten gehen davon aus, dass Herausforderer Biden die Steuern erhöhen dürfte, was die Gewinne der Firmen schmälern würde.
PFUND NACH VERABSCHIEDUNG VON BINNENMARKTGESETZ UNTER DRUCK
Als weiteren Belastungsfaktor für die Märkte nannten Börsianer die steigenden Corona-Neuinfektionen und damit einhergehende Befürchtungen, dass weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die Wirtschaft belasten könnten. Auch die in einer kritischen Phase steckenden Brexit-Verhandlungen sorgten für Verunsicherung. Das britische Unterhaus hat ungeachtet aller Warnungen der EU das umstrittene Binnenmarktgesetz von Premierminister Boris Johnson verabschiedet. Das Pfund gab auf 1,2832 Dollar nach. Händlern zufolge hatten sich Investoren bereits auf grünes Licht für das Gesetz vorbereitet, weswegen sich die Verluste in Grenzen hielten. Das Gesetz soll der Regierung in London die Möglichkeit geben, die im Brexit-Vertrag festgeschriebene Regelung auszuhebeln, nach der im britischen Nordirland auch künftig EU-Zoll-Regeln gelten sollen. Die EU spricht von einer Verletzung des Vertrags und hat mit juristischen Schritten gedroht.
KAPITALERHÖHUNG LASTET AUF COVESTRO
Die Aussicht auf eine Kapitalerhöhung zur teilweisen Finanzierung einer Übernahme drückte den Aktienkurs von Covestro (F:1COV). Die Papiere gaben bis zu 7,3 Prozent auf ein Drei-Wochen-Tief von 42,30 Euro nach. Der Kunststoffkonzern übernimmt vom niederländischen Chemieunternehmen DSM eine Sparte für 1,61 Milliarden Euro. Durch eine Kapitalerhöhung sollen dafür etwa 450 Millionen Euro erlöst werden.
Ebenfalls schwächer notierten Infineon (DE:IFXGn) ud Siltronic (DE:WAFGn), die bis zu ein Prozent abgaben. Börsianern zufolge lastet ein trüber Ausblick des US-Chipherstellers Micron (NASDAQ:MU) auf den Titeln. Anleger machten nach den jüngsten Kursgewinnen in dem Sektor deswegen lieber Kasse, sagte ein Händler.
Übernahmespekulationen sorgten in Paris für Bewegung. Der französische Wasser- und Abfallkonzern Veolia hat sein Angebot für einen 29,9-prozentigen Anteil von Engie (PA:ENGIE) an dem kleineren Rivalen Suez auf 3,4 Milliarden Euro erhöht. Suez-Aktien stiegen um sieben Prozent auf 15,96 Euro. Titel von Veolia und Engie lagen jeweils rund zwei Prozent höher.