Michael Hartnett, Stratege bei BofA Securities, bezeichnet den derzeitigen Anleihe-Crash als den "dritten großen Bond-Bärenmarkt" in der Börsengeschichte. Der erste fand in den Jahren 1899 bis 1920 statt, der zweite in den Jahren 1946 bis 1981. Seiner Meinung nach handelt es sich beim aktuellen Crash um etwas ganz "Außergewöhnliches". Laut dem Strategen zeichnen sich 2022 bei den globalen Staatsanleihen die größten Verluste seit 1949 (Marshallplan), 1931 (Credit-Anstalt) und 1920 (Versailler Vertrag) ab.
Er sagte, der Anleihe-Crash berge die Gefahr von massiven Kreditereignissen und der Glattstellung der am stärksten überlaufenen Trades der Welt: Long US-Dollar, Long US-Tech (NYSE:XLK), Long Private Equity. Die wahre Kapitulation sei, wenn Investoren alles "verkaufen, was sie lieben und besitzen".
Seit dem 1. August seien die Renditen der US-Staatsanleihen um 110 Basispunkte, die des Vereinigten Königreichs um 123 Basispunkte (schnellster Anstieg seit 1994), die der deutschen Bundesanleihen um 87 Basispunkte (schnellster Anstieg seit 1990) und die der französischen OAT um 83 Basispunkte (schnellster Anstieg seit 1994) gestiegen, so der Stratege. Auslöser für den Renditeanstieg seien die Inflation (deutscher Erzeugerpreisindex +46 %), die Zentralbanken (~300 Zinserhöhungen in den letzten 12 Monaten), aber auch das Haushaltsdefizit angesichts der neuen Ära staatlicher Rettungspakete in jeder Krise und der sich verschlechternden geopolitischen Lage = mehr Militärausgaben (Krieg ist inflationär).
Mit Blick auf die wöchentlichen Kapitalflüsse registrierte die Bofa einen Zufluss von 30,3 Milliarden Dollar in Cash, einen Abfluss von 0,4 Milliarden Dollar aus Gold, 6,9 Milliarden Dollar aus Anleihen und 7,8 Milliarden Dollar aus Aktien.
Der von der Bank of America (NYSE:BAC) ermittelte Bull & Bear-Indikator ist mit einem Wert von 0,0 nun so bearish wie nur möglich.
Für Hartnett ist der Tiefpunkt am Aktienmarkt noch nicht erreicht. Die Schocks in Sachen Inflation, Zinsen und Rezession seien noch nicht ausgestanden, und der Anleihe-Crash der letzten Wochen bedeute neue Höchststände bei den Credit-Spreads. Seinen aktuellen Prognosen nach könnte man bei 3.600 Punkten im S&P 500 ein wenig "naschen", sich dann bei 3.300 Punkten einen "kräftigen Bissen" gönnen und bei 3.000 Punkten dann richtig "zuschlagen".
Laut dem Strategen besteht das Bear-Risk aus einer ähnlichen Situation wie 1987 (Black Monday), während das Bull-Risk aus einer Situation wie 1975 resultiert, als Small Caps plötzlich eine Outperformance erzielten.