In der Hängepartie um die umstrittene Übernahme durch Edeka wird die wirtschaftliche Lage der chronisch defizitären Supermarktkette Kaiser's Tengelmann offenbar immer dramatischer. "Die Umsätze in den Filialen sind stark rückläufig", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" am Donnerstag aus einem Schreiben der Anwälte des Unternehmens an den Bundesgerichtshof (BGH). Die Kunden wendeten sich ab. Zudem verweigerten die Lieferanten "wettbewerbsfähige Beschaffungskonditionen".
Darüber hinaus habe Kaiser's mit den Abgängen qualifizierter Mitarbeiter zu kämpfen. Einige Märkte seien personell "stark unterbesetzt", erläutern die Anwälte laut "SZ". Zudem würden Mietverträge nicht verlängert, da Kaiser's "kein verlässlicher Partner mehr ist". Für die Kette werde es immer schwieriger, "einen ordentlichen Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten".
Die Supermarktkette schreibt seit dem Jahr 2000 rote Zahlen. Die Tengelmann-Gruppe als Eigentümer will sich deshalb von Kaiser's Tengelmann trennen. Bereits vor zwei Jahren wurde ein Kaufvertrag mit dem Marktführer Edeka ausgehandelt. Doch das Geschäft liegt auf Eis, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Eilverfahren die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte Sondererlaubnis vorläufig gestoppt hat.
Das Bundesgerichtshof kündigte inzwischen für den 15. November eine Entscheidung über die Beschwerden der Handelsketten und des Ministeriums gegen das Vorgehen des Düsseldorfer Gerichts an. Letzteres will am Tag darauf im Hauptsacheverfahren über die Ministererlaubnis verhandeln - und dürfte dort vermutlich zu keinem anderen Schluss als im Eilverfahren kommen.
Angesichts des juristischen Tauziehens, das sich letztlich noch lange hinziehen kann, könnte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub in der nächsten Woche bereits die Reißleine ziehen. Für den 23. September berief Tengelmann eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung ein, in der Haub auch eine Zerschlagung der Kette auf den Weg bringen könnte. Damit hat er bereits mehrfach gedroht.
Angeblich bemüht sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi derzeit darum, alle Beteiligten des Streits um die Übernahme an einen Tisch zu bekommen - darunter auch den Konkurrenten Rewe, der wie Norma und Markant gegen die Ministererlaubnis vorgeht. Verdi bestätigt die Initiative jedoch nicht.
Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger sagte der "SZ" lediglich: "Wir haben uns während des gesamten Verkaufsprozesses nie für ein einzelnes Unternehmen ausgesprochen". Dies gelte auch weiterhin. Neben Edeka hatten auch Rewe und andere Unternehmen in der Vergangenheit Interesse an Kaiser's Tengelmann im Ganzen oder an einzelnen Filialen gezeigt.