FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach der vom EU-Gipfel ausgelösten Kursrally am Freitag dürfte die Entwicklung in der Eurozone auch in der kommenden Woche den Takt an den Aktienmärkten angeben. 'Das Hauptthema der Märkte bleibt die EU-Schuldenkrise', schrieben etwa die Experten der Landesbank Berlin. Angesichts ihrer jüngsten Schwächeperiode hätten die Aktienmärkte bis zuletzt einen ergebnislosen EU-Gipfel vorweggenommen, der erste Tag sei jedoch mit unerwartet klaren Ergebnissen zu Ende gegangen. Über die Tendenz an den Finanzmärkten fallen die Meinungen von Experten mit einigen skeptischen, aber auch vereinzelten optimistischen Stimmen unterschiedlich aus.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben sich nach zähem Ringen darauf geeinigt, den Krisenländern unter die Arme zu greifen. 'Die ersten Vereinbarungen zeigen ein recht weites Entgegenkommen der Bundeskanzlerin gegenüber den Forderungen Spaniens und Italiens', kommentierte dies Rolf Schäffer, Leiter Kreditstrategie bei der Landesbank Baden-Württemberg. Positiv aufgenommen wurde nach dem ersten Tag des EU-Gipfels, dass die Eurozone den beiden Ländern ohne konkrete Auflagen unter die Arme greifen will. Außerdem sollen künftig nicht nur Staaten, sondern auch Banken direkt auf die Rettungsfonds zugreifen können, sobald eine gemeinsame Bankenaufsicht installiert ist.
COBA: 'ESM-PLÄNE BRINGEN RISIKEN MIT SICH'
Nach Einschätzung der Commerzbank bringt ein flexiblerer Einsatz des Rettungsschirms ESM aber Risiken mit sich. 'Damit dürfte dieser noch schneller an seine Grenzen stoßen, denn die Liste potenzieller Hilfsempfänger wird immer länger', sagte der Chefvolkswirt des Frankfurter Bankhauses, Jörg Krämer. Laut seinem Kollegen Christoph Weil könne sich das Volumen des Hilfsgesuche schnell auf eine Billion Euro belaufen - eine Verdopplung des beschlossenen Rahmens für den permanenten Rettungsschirm (ESM) von derzeit 500 Milliarden könnte sich seiner Einschätzung nach aber als schwierig erweisen.
Auch die Experten der Schweizer Privatbank Julius Bär sehen das Ergebnis vom Freitag bisher noch skeptisch: Nach Ansicht von David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland, ändern die Gipfelbeschlüsse wenig an der Großwetterlage. 'Der Ausgang des Krisengipfels trägt nach unserer Auffassung wenig zu einer nachhaltigen Verbesserung des Konjunkturausblicks bei', so der Experte. Er rechnet damit, dass die zunächst positiven Marktreaktionen keinen Bestand haben werden.
KONJUNKTURSORGEN LAUT HELABA SCHON EINGEPREIST
Für andere Experten ist die Sorge um die konjunkturelle Entwicklung an den Aktienmärkten aber schon vorweg genommen worden. 'Übertriebene Wachstumserwartungen sind inzwischen korrigiert und Aktien sehr niedrig bewertet', sagte Markus Reinwand von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Er blickt etwas optimistischer voraus als seine Kollegen, sofern Störfeuer auf Seiten der Konjunktur und im Finanzsystem ausbleiben. 'Die nachlassende Risikoaversion dürfte angesichts klarer Bewertungsvorteile zu spürbaren Umschichtungen in Aktien und damit zu steigenden Notierungen führen.'
Für den Helaba-Experten ist neben dem Anpacken der Strukturreformen in den angeschlagenen Ländern aber auch eine lockere Geldpolitik für einen Kursanstieg erforderlich. Jörg Krämer von der Commerzbank legt seine Aufmerksamkeit deshalb in der kommenden Woche hauptsächlich auf die Europäische Zentralbank (EZB). 'Der Markt geht fest von einer Leitzinssenkung aus', so der Chefvolkswirt. 'Wichtiger für den Markt dürfte aber letztlich sein, ob auch der Einlagensatz gesenkt wird', mahnte er Anleger zur Vorsicht. Sollte der Leitzins um 25 Basispunkte reduziert werden, der Einlagensatz aber unverändert bleiben, rechnet er mit einer enttäuschten Reaktion am Geldmarkt.
Die Postbank-Experten erwarten von den europäischen Währungshütern ebenfalls eine Senkung auf nur noch 0,75 Prozent, was ihren Angaben zufolge das niedrigste Niveau seit Bestehen der Zentralbank wäre. Als deutliches Anzeichen werten sie es, dass auf der vorangegangenen Sitzung angeblich schon einige Mitglieder des EZB-Rates für eine sofortige Zinssenkung plädiert hätten. 'Auch die Aussage Draghis, die EZB stünde zum sofortigen und bestimmten Handeln bereit, weist in diese Richtung', fügten sie hinzu. Neben der EZB entscheidet am Donnerstag auch die britische Bank of England über ihre Zinspolitik.
AGENDA MIT WIRTSCHAFTSDATEN GUT GEFÜLLT
Abseits der Notenbanken ist die Agenda in den nächsten Tagen auch mit zahlreichen Wirtschaftsdaten gut gefüllt. Los geht es am Montag mit den finalen europäischen Einkaufsmanagerindizes im Industriesektor sowie den entsprechenden Zahlen für den Dienstleistungssektor am Mittwoch. 'Die vorläufigen Zahlen dürften sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone bestätigt werden', kommentierten dies die Experten der Banco Santander. Am Donnerstag folgen dann die Auftragseingänge in der deutschen Industrie mit potenziell marktbewegendem Charakter.
Im Fokus werden in der kommenden Woche zudem einige Wirtschaftsdaten aus den USA stehen. Auf den ISM-Index für die Industrie am Montag folgen tags darauf die Industrieaufträge, bevor die US-Börsen dann am Mittwoch wegen des 'Independance Day' geschlossen bleiben. Am Freitag stehen die vielbeachteten Arbeitsmarktdaten an, für die der ADP-Bericht zum Privatsektor am Donnerstag gerne als Indikator herangezogen wird. Für den Commerzbank-Experten Jörg Krämer werden die US-Daten einmal mehr bestätigen, dass sich die dortige Wirtschaft erholt, das Tempo dabei aber verhalten bleibt./tih/ag/wiz
--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben sich nach zähem Ringen darauf geeinigt, den Krisenländern unter die Arme zu greifen. 'Die ersten Vereinbarungen zeigen ein recht weites Entgegenkommen der Bundeskanzlerin gegenüber den Forderungen Spaniens und Italiens', kommentierte dies Rolf Schäffer, Leiter Kreditstrategie bei der Landesbank Baden-Württemberg. Positiv aufgenommen wurde nach dem ersten Tag des EU-Gipfels, dass die Eurozone den beiden Ländern ohne konkrete Auflagen unter die Arme greifen will. Außerdem sollen künftig nicht nur Staaten, sondern auch Banken direkt auf die Rettungsfonds zugreifen können, sobald eine gemeinsame Bankenaufsicht installiert ist.
COBA: 'ESM-PLÄNE BRINGEN RISIKEN MIT SICH'
Nach Einschätzung der Commerzbank bringt ein flexiblerer Einsatz des Rettungsschirms ESM aber Risiken mit sich. 'Damit dürfte dieser noch schneller an seine Grenzen stoßen, denn die Liste potenzieller Hilfsempfänger wird immer länger', sagte der Chefvolkswirt des Frankfurter Bankhauses, Jörg Krämer. Laut seinem Kollegen Christoph Weil könne sich das Volumen des Hilfsgesuche schnell auf eine Billion Euro belaufen - eine Verdopplung des beschlossenen Rahmens für den permanenten Rettungsschirm (ESM) von derzeit 500 Milliarden könnte sich seiner Einschätzung nach aber als schwierig erweisen.
Auch die Experten der Schweizer Privatbank Julius Bär sehen das Ergebnis vom Freitag bisher noch skeptisch: Nach Ansicht von David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland, ändern die Gipfelbeschlüsse wenig an der Großwetterlage. 'Der Ausgang des Krisengipfels trägt nach unserer Auffassung wenig zu einer nachhaltigen Verbesserung des Konjunkturausblicks bei', so der Experte. Er rechnet damit, dass die zunächst positiven Marktreaktionen keinen Bestand haben werden.
KONJUNKTURSORGEN LAUT HELABA SCHON EINGEPREIST
Für andere Experten ist die Sorge um die konjunkturelle Entwicklung an den Aktienmärkten aber schon vorweg genommen worden. 'Übertriebene Wachstumserwartungen sind inzwischen korrigiert und Aktien sehr niedrig bewertet', sagte Markus Reinwand von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Er blickt etwas optimistischer voraus als seine Kollegen, sofern Störfeuer auf Seiten der Konjunktur und im Finanzsystem ausbleiben. 'Die nachlassende Risikoaversion dürfte angesichts klarer Bewertungsvorteile zu spürbaren Umschichtungen in Aktien und damit zu steigenden Notierungen führen.'
Für den Helaba-Experten ist neben dem Anpacken der Strukturreformen in den angeschlagenen Ländern aber auch eine lockere Geldpolitik für einen Kursanstieg erforderlich. Jörg Krämer von der Commerzbank legt seine Aufmerksamkeit deshalb in der kommenden Woche hauptsächlich auf die Europäische Zentralbank (EZB). 'Der Markt geht fest von einer Leitzinssenkung aus', so der Chefvolkswirt. 'Wichtiger für den Markt dürfte aber letztlich sein, ob auch der Einlagensatz gesenkt wird', mahnte er Anleger zur Vorsicht. Sollte der Leitzins um 25 Basispunkte reduziert werden, der Einlagensatz aber unverändert bleiben, rechnet er mit einer enttäuschten Reaktion am Geldmarkt.
Die Postbank-Experten erwarten von den europäischen Währungshütern ebenfalls eine Senkung auf nur noch 0,75 Prozent, was ihren Angaben zufolge das niedrigste Niveau seit Bestehen der Zentralbank wäre. Als deutliches Anzeichen werten sie es, dass auf der vorangegangenen Sitzung angeblich schon einige Mitglieder des EZB-Rates für eine sofortige Zinssenkung plädiert hätten. 'Auch die Aussage Draghis, die EZB stünde zum sofortigen und bestimmten Handeln bereit, weist in diese Richtung', fügten sie hinzu. Neben der EZB entscheidet am Donnerstag auch die britische Bank of England über ihre Zinspolitik.
AGENDA MIT WIRTSCHAFTSDATEN GUT GEFÜLLT
Abseits der Notenbanken ist die Agenda in den nächsten Tagen auch mit zahlreichen Wirtschaftsdaten gut gefüllt. Los geht es am Montag mit den finalen europäischen Einkaufsmanagerindizes im Industriesektor sowie den entsprechenden Zahlen für den Dienstleistungssektor am Mittwoch. 'Die vorläufigen Zahlen dürften sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone bestätigt werden', kommentierten dies die Experten der Banco Santander. Am Donnerstag folgen dann die Auftragseingänge in der deutschen Industrie mit potenziell marktbewegendem Charakter.
Im Fokus werden in der kommenden Woche zudem einige Wirtschaftsdaten aus den USA stehen. Auf den ISM-Index für die Industrie am Montag folgen tags darauf die Industrieaufträge, bevor die US-Börsen dann am Mittwoch wegen des 'Independance Day' geschlossen bleiben. Am Freitag stehen die vielbeachteten Arbeitsmarktdaten an, für die der ADP-Bericht zum Privatsektor am Donnerstag gerne als Indikator herangezogen wird. Für den Commerzbank-Experten Jörg Krämer werden die US-Daten einmal mehr bestätigen, dass sich die dortige Wirtschaft erholt, das Tempo dabei aber verhalten bleibt./tih/ag/wiz
--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---