Das Börsenjahr 2022 neigt sich schon wieder dem Ende entgegen. Rekordinflation, stark steigende Leitzinsen sowie eine miserable Kursentwicklung bei vielen Aktien stechen für mich heraus. Dieses Jahr hat mich als Anleger hoffentlich wieder ein wenig klüger werden lassen. Insbesondere die folgenden drei Punkte nehme ich für mich mit.
1. Politik und Zentralbanken haben großen Einfluss auf Aktienkurse
Anders als das Sprichwort „Politische Börsen haben kurze Beine“ verlauten lässt, hat die Politik teilweise extremen und dauerhaften Einfluss auf die Wirtschaft und somit auf Aktienkurse. Gleiches gilt für die Notenbanken.Ich konzentriere mich normalerweise auf einzelne Unternehmen und beachte makroökonomische und politische Faktoren kaum. In diesem Jahr war dies definitiv ein Fehler. Die operative Entwicklung „meiner“ Unternehmen fiel kaum ins Gewicht. Stattdessen führten stark steigende Leitzinsen besonders bei hoch bewerteten Wachstumsaktien zu Kursabstürzen. Auf politischer Front wirken sich anhaltende krasse Eingriffe in China auf die Aktien aus (ich habe in diesem Jahr alle meine chinesischen Aktien verkauft). Doch auch in Europa überlagern staatliche Eingriffe wie im Energiesektor viele unternehmensspezifische Faktoren. Ich werde in Zukunft mehr auf Politik und Zentralbanken achten müssen.
2. Cash ist extrem wertvoll
Noch im Jahr 2021 postulierte der Hedgefondsmanager Ray Dalio „Cash is trash“. In Anbetracht stetig steigender Preise für Aktien, Immobilien, Gold und weiterer Vermögenswerte erschien dies nachvollziehbar. Cash hingegen lieferte aufgrund der lang anhaltenden Niedrigzinspolitik so gut wie keine Zinsen.Wie schnell sich die Zeiten ändern. Heute erscheint mir Cash so wertvoll wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Auf Ebene der Unternehmen wird es immer schwieriger und kostspieliger, sich mit Eigen- und Fremdkapital zu versorgen. Wer hingegen über ein solides Cashpolster verfügt, kann dem gesunkenen Risikoappetit am Aktienmarkt und den stark gestiegenen Zinsen entspannt entgegensehen und sogar Chancen in der aktuellen Krise wahrnehmen.
Auch als Anleger kann man nun mit gut gefüllten Taschen Chancen wahrnehmen. Die Preise für Aktien, aber auch Anleihen, Kryptowährungen und teils sogar Immobilien sind deutlich gefallen. Wer sich in den Vorjahren ein schönes Cashpolster aufgebaut hat, profitiert nun davon. Aufgrund der Erfahrungen dieses Jahres habe ich mir vorgenommen, in zukünftigen guten Zeiten eine höhere Cashquote als meine bisher angepeilten 5 % aufzubauen.
3. Antizyklisches Investieren zahlt sich aus
Das Jahr 2022 ist für mich ein Paradebeispiel dafür, dass es sich lohnt, abseits des Mainstreams und konträr zur allgemeinen Marktmeinung zu investieren. Im Zuge der allgemeinen Börseneuphorie nach dem Coronacrash im Frühjahr 2020 wurden Aktien aus den Bereichen grüne Energie, Cloud Computing, E-Commerce, pflanzliche Ernährung, digitales Bezahlen und so weiter in luftige Höhen getrieben.Wer hingegen in Tabakunternehmen, die Öl- und Gasindustrie oder REITs mit Fokus auf klassischen Einkaufszentren investierte, wurde im besten Fall müde belächelt. Bis zu diesem Jahr. Im Jahr 2022 stiegen die meisten dieser Aktien deutlich, während die gehypten Aktien aus 2020 jäh abstürzten.
Rückblickend lässt sich das natürlich leicht analysieren. Doch ich glaube, dass es sich auch heute lohnt, konträr zur allgemeinen auf Sicherheit bedachten Börsenstimmung zu investieren. Viele der Tech-Highflyer aus 2020 sind so unbeliebt und günstig bewertet wie selten zuvor. Ich erwarte bei Themen wie Cybersicherheit, Cloud Computing und digitalem Bezahlen jedoch langfristig weiteres Wachstum. Entsprechend kaufte ich hier in diesem spannenden Börsenjahr 2022 nach.
Der Artikel Meine 3 Top-Learnings aus dem Börsenjahr 2022 ist zuerst erschienen auf The Motley Fool Deutschland.
Motley Fool Deutschland 2022