Stuttgart, 13. Nov (Reuters) - Der Abbau von Arbeitsplätzen und Sparprogramme in der Autoindustrie lösen zunehmend Proteste der Beschäftigten in Baden-Württemberg aus. "Nahezu täglich werden neue Sparprogramme und Stellenstreichungen bekannt - häufig unter dem Deckmantel des technologischen Wandels", erklärte der Leiter des IG-Metall-Bezirks Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, am Mittwoch in Stuttgart. Die Gewerkschaft wolle dagegen am 22. November einen Aktionstag mit mehr als 10.000 Teilnehmern organisieren. Bisher kam es erst bei einzelnen Zulieferern wie Mahle oder Schuler zu Protesten. Doch mittlerweile gebe es in rund 160 Unternehmen der Branche im Südwesten einschneidende Sparprogramme, zum Teil mit Stellenstreichungen.
Die Autoindustrie muss zum Erreichen von Klimaschutzzielen die Produktion immer stärker auf Elektroautos umstellen. Das führt auf längere Sicht zu weniger Arbeitsvolumen als in der Ära des Verbrennungsmotors. Zugleich ist die Konjunktur in der Branche seit 2018 nach fast einem Jahrzehnt Wachstum vor allem wegen des Handelsstreits zwischen den USA und China auf Talfahrt. Eine Umfrage unter Betriebsräten habe ergeben, dass Stellen nicht in erster Linie aus diesen Gründen, sondern zum Sichern der Rendite wegfallen sollte, sagte Zitzelsberger. Unternehmen nutzten die Flaute, die nach Einschätzung der IG Metall nur eine Konjunkturdelle ist, um Errungenschaften der Arbeitnehmer zu beschneiden. Die Gewerkschaft sei bereit, den Wandel mitzugestalten, "aber nicht auf dem Rücken der Beschäftigten", betonte Zitzelsberger. Nach Schätzung der IG Metall sind bis 2030 etwa 150.000 Arbeitsplätze in der Produktion von Verbrennungstechnik gefährdet, mehr als jeder zweite Job.
Ein Beispiel für den Umbruch ist der weltweit größte Autozulieferer Bosch ROBG.UL . Der Stiftungskonzern fahre einen "harten Sparkurs", der die Arbeitnehmer überrascht habe, erklärte Betriebsratschef Hartwig Geisel. In den vergangenen beiden Jahren seien bereits rund 2500 Arbeitsplätze an den Automobilstandorten von Bosch in Deutschland gestrichen worden. In den kommenden beiden Jahre fielen nach Ankündigungen weitere 3000 weg. Und es könnten noch mehr werden. Der Betriebsrat ist besorgt, dass Zukunftstechnologien wie alternative Antriebe künftig nicht mehr in Deutschland angesiedelt werden. Er befürchte eine "Deindustrialisierung" während der kommenden Dekade des Wandels. Ein Sprecher von Bosch wollte die Zahlen nicht kommentieren. Das Unternehmen passe die Beschäftigung wegen der Transformation in der Branche und der schwächeren Konjunktur sozialverträglich an.
Ein hartes Ringen liefern sich auch Unternehmen und Betriebsrat von Daimler DAIGn.DE derzeit im Stammwerk für Komponenten in Stuttgart-Untertürkheim. Gestritten wird darüber, ob der elektrische Antriebsstrang für E-Autos künftig bei Mercedes-Benz selbst produziert oder von Zulieferern eingekauft wird. Der Betriebsratsvorsitzende Michael Häberle nannte es unverständlich, dass Daimler dies überhaupt in Frage stelle, wo doch für den Konzern in Deutschland bis 2030 eine Beschäftigungszusage gelte. Das Aggregatewerk, in dem die Hälfte der 22.000 Jobs vom aussterbenden Verbrennungsmotor abhängt, brauche jeden Arbeitsplatz für Elektroantriebe.
Die IG Metall fordert deshalb von den Unternehmen Vereinbarungen zur Standortsicherung und die Bereitschaft, gemeinsam nach alternativen Beschäftigungschancen zu suchen. "Die das mitmachen, haben in uns Verbündete - alle anderen haben Ärger", sagte Zitzelsberger. Diese Forderung werde voraussichtlich auch Thema in der Anfang 2020 anstehenden nächsten Tarifrunde des größten deutschen Industriezweigs. (Reporterin: Ilona Wissenbach; Redigiert von Olaf Brenner Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 069-7565 1236 oder 030-2888 5168.)