FRANKFURT (dpa-AFX) - Zehntausende Menschen haben am Mittwoch die ausgeweiteten Warnstreiks im öffentlichen Dienst massiv zu spüren bekommen. Durch Arbeitsniederlegungen an elf deutschen Flughäfen, darunter die Drehkreuze Frankfurt und München, fielen mehr als 1400 Flüge aus. Selbst bei der Reise mit der Bahn war Geduld gefragt, da Züge wegen Bauarbeiten auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hannover und Kassel teils erheblich verspätet waren. Auch das öffentliche Leben war wegen des Ausstands vielerorts beeinträchtigt. Während Regierung und Arbeitgeberverbände die Aktionen kritisierten, pocht Verdi-Chef Frank Bsirske bereits auf eine schnelle Einigung.
In München wurden 740 Flüge gestrichen. 550 Angestellte aus allen betroffenen Abteilungen hätten ihre Arbeit niedergelegt. Dort endete der Streik schon um 13.00 Uhr, statt wie geplant um Mitternacht.
In Frankfurt/Main fielen 392 Flüge aus. Dort und auch in Köln/Bonn legte die Flughafenfeuerwehr vorübergehend die Arbeit nieder und sorgte damit für Verspätungen und Stillstand. An anderen Standorten sorgten Warnstreiks im Bereich der Flugzeugabfertigung und des Gepäckdienstes für Ausfälle.
Am schwersten betroffen war die Lufthansa (XETRA:LHAG), die bundesweit insgesamt 900 Verbindungen zu deutschen und europäischen Zielen absagen musste. Allein in Frankfurt mussten 33 000 Passagiere umdisponieren. Dennoch herrschte in den Terminals ruhiger Betrieb, viele Fluggäste waren vorab informiert. Inlandspassagiere wurden auf die Bahn umgebucht.
Außer an den Flughäfen legten in Berlin und vielen anderen Städten in Deutschland am Mittwoch die Mitarbeiter diverser Behörden wie der Stadtreinigung, des öffentlichen Nahverkehrs, der Wasserbetriebe und der Bäderbetriebe die Arbeit nieder. Auch Kitas und Krankenhäuser waren betroffen.
Verdi hatte im Rahmen der Tarifrunde Öffentlicher Dienst zu den Streiks an Flughäfen aufgerufen. Vor tausenden Warnstreikenden forderte Bsirske am Vormittag einen schnellen Abschluss bei den anstehenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. In der dritten Runde, die an diesem Donnerstag in Potsdam beginnen soll, müsse man zu befriedigenden Ergebnissen kommen, sagte der Gewerkschaftschef bei einer Kundgebung am Frankfurter Flughafen.
Bsirske verlangte von Bund und Kommunen ein Gesamtpaket mit einem deutlichen Reallohnzuwachs und einer sicheren Altersversorgung. Verdi werde eine Verschlechterung der betrieblichen Altersversorgung nicht hinnehmen. Zudem müsse die Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse gesenkt werden, die in den vergangenen zehn Jahren um 36 Prozent auf 400 000 angewachsen sei. "Das ist Missbrauch."
Der Verdi-Chef verteidigte die Streikstrategie, bereits vor einer Urabstimmung die Flughäfen und zahlreiche weitere öffentliche Einrichtungen massiv zu bestreiken. Alle hätten ausreichend Zeit gehabt, sich vorzubereiten.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière bewertete die Ausweitung der Warnstreiks im öffentlichen Dienst als unverhältnismäßig. "Für die Bestreikung ausgerechnet von wichtigen Flughäfen und Berliner Kliniken gibt es keinen vernünftigen Grund", sagte der CDU-Politiker in einer Mitteilung seiner Behörde. Dies sei "umso ärgerlicher", da der bisherige Verhandlungsverlauf dafür keinen Anlass geboten habe. Den Gewerkschaften seien zuletzt eine Tariferhöhung von drei Prozent sowie weitere Zugeständnisse angeboten worden. "Darüber sollte man doch erstmal reden, anstatt zu streiken", sagte de Maizière.
Eine auf zwei Drittel des Tages ausgelegte Arbeitsniederlegung, die große Teile des gesamten Flugverkehrs behindere, sei kein Warnstreik, sondern "ein Streik, der mit wirtschaftlichen Millionenschäden verbunden ist und nicht mehr als "Warnung" verstanden werden kann", sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Der Streik richte sich formal gegen die öffentliche Hand als Tarifverhandlungspartner, treffe aber im Wesentlichen die Fluggesellschaften.
Im Tarifstreit fordert Verdi sechs Prozent mehr Geld bei einem Jahr Laufzeit des Vertrages. Die Arbeitgeber - der Bund und die Kommunen - haben drei Prozent mehr Lohn und Gehalt für zwei Jahre geboten.
Bsirske bestritt die Darstellung der Arbeitgeber, dass dieses Angebot drei Prozent für zwei Jahre betrage. Da die drei Prozent in zwei Stufen angeboten würden und jede der beiden Erhöhungen erst jeweils im Juni wirksam werden solle, betrage es auf zwei Jahre gerechnet nur 1,8 Prozent. Die Inflation werde jedoch in diesem und im nächsten Jahr zusammengenommen zwei Prozent betragen.