BERLIN (dpa-AFX) - Als Konsequenz der Abgasaffäre bei Volkswagen (XETRA:VOW3) stellt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Autobauern unangemeldete Abgastests in Aussicht. "Es wird Kontrollen für Kraftfahrzeuge im Stile von Dopingtests geben. Unangemeldet, jedes Jahr", sagte Dobrindt der "Bild am Sonntag". "Nach dem Zufallsprinzip werden Fahrzeuge beispielsweise über Autovermietungen ausgewählt und deren Schadstoffausstoß getestet." Sein Ministerium wolle sicherstellen, dass solche Manipulationen nicht wieder passieren.
Nach Dobrindts Worten sollen staatliche Prüfstände beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) aufgebaut werden. "Die Aufsicht über die Kontrollstellen hat das Bundesverkehrsministerium. Diese zusätzlichen Prüfungen sollen helfen, durch den VW-Skandal verspieltes Vertrauen in die Autoindustrie wiederherzustellen", sagte Dobrindt.
Im Januar hatte das Bundesverkehrsministerium bereits mehrere Neuregelungen in den Blick genommen. Technische Prüfdienste, die für einen Autohersteller tätig sind, sollten sich künftig in einer Rotation abwechseln, hatte ein Sprecher in Berlin mitgeteilt. Die VW-Untersuchungskommission des Ministeriums habe zudem vorgeschlagen, staatliche Prüfstände für Emissions-Nachmessungen aufzubauen. Damit könnten nach Ansicht von Experten wirtschaftliche Abhängigkeiten zwischen Prüfinstituten und Herstellern vermieden werden.
Außerdem sollen Hersteller dem KBA künftig ihre Motorsoftware offenlegen. Dadurch wäre es leichter, etwaige Abschaltvorrichtungen zu erkennen, mit denen ein Fahrzeug "merkt", ob gerade ein Abgastest läuft. Solche so genannten "Defeat Devices" stehen im Zentrum des VW-Abgasskandals: Die US-Umweltbehörde hatte Mitte September mitgeteilt, dass VW mit Hilfe einer solchen Software Stickoxid-Messwerte (NOx) von Dieselautos bei Tests auf Prüfständen manipuliert hat, um die Vorgaben der Behörden zu erfüllen. Manipuliert wurde bei Dieselmotoren in weltweit bis zu elf Millionen Autos verschiedener Konzernmarken.
Die Grünen sprachen angesichts Dobrindts Vorschlag von einem "schlechten Witz" und warfen dem Minister vor, mehr die Interessen der Autoindustrie als den Umwelt- und Verbraucherschutz zu verfolgen. "Das Kraftfahrtbundesamt hat bisher bei der Kontrolle der Autoindustrie versagt, warum sollte das auf einmal anders werden?", fragte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter in einer Mitteilung. Die Fraktion der Linken kritisierte: "Was nützen die besten Dopingtests, wenn Doping im großen Stil erlaubt bleiben soll und nicht mal ein Sanktionskatalog für Dopingsünder zur Debatte steht."
Der ADAC unterstützt die Pläne der Bundesregierung dagegen: "Das Vorhaben, unangemeldete Messungen durchzuführen und die Ergebnisse offenzulegen, geht in die richtige Richtung", sagte ADAC-Vizepräsident Thomas Burkhardt laut Mitteilung. "Zusätzlich sollten jedoch auch die tatsächlichen Emissionswerte über eine kontinuierliche Feldüberwachung nachvollziehbar erhoben werden, um höchstmögliche Transparenz für die Autofahrer in Deutschland zu schaffen."
Angesichts des VW-Skandals dringt die schwarz-rote Koalition auf generelle Änderungen bei Abgasmessungen. "Um verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen, müssen die Aussagekraft von Emissionstests deutlich verbessert und umfassende Transparenz hergestellt werden", heißt es in einem Antrag von Union und SPD, über den der Bundestag voraussichtlich an diesem Donnerstag (18.2.) beraten soll.
Neuregelungen hat auch eine von Dobrindt eingesetzte Kommission zur Untersuchung des VW-Skandals vorgeschlagen. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte: "Manipulationen wie bei Volkswagen müssen in der Zukunft verhindert werden. Ansonsten leidet das Vertrauen der Verbraucher." Notwendig seien mehr Transparenz und eine bessere staatliche Kontrolle.
In der EU rücken derweil realistischere Abgastests für Dieselfahrzeuge näher. Die EU-Länder stimmten am Freitag dem neuen Rechtsrahmen in Brüssel zu. Künftig sollen die Emissionen im Straßenverkehr und nicht im Labor getestet werden. Allerdings sollen jahrelang noch großzügige Abweichungen von geltenden Grenzwerten erlaubt sein. Das Europaparlament hatte bereits in der vergangenen Woche de facto zugestimmt.