AMSTERDAM (dpa-AFX) - Die stark gestiegenen Zinsen haben der niederländischen Großbank ING (AS:INGA) im Sommer einen kräftigen Gewinnsprung eingebracht. Mit knapp zwei Milliarden Euro lag der Überschuss im dritten Quartal mehr als doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor, wie der Mutterkonzern der gleichnamigen deutschen Direktbank am Donnerstag in Amsterdam mitteilte. Doch Konzernchef Steven van Rijswijk warnt, dass es mit den fetten Zinsgewinnen nicht ganz so weitergeht. Angesichts ihres dicken Finanzpolsters kauft die ING jedoch noch mehr eigene Aktien vom Markt zurück. Anleger tröstete dies wenig.
Die ING-Aktie verlor nach den Aussagen am Vormittag zeitweise fast fünf Prozent an Wert. Zuletzt war sie mit einem Abschlag von zwei Prozent immer noch größter Verlierer im Eurozonen-Index EuroStoxx 50 und wurde nur noch gut drei Prozent teurer gehandelt als zum Jahreswechsel.
Dabei hatte die ING am Morgen einen weiteren Aktienrückkauf über 2,5 Milliarden Euro angekündigt. Erst im Oktober hatte sie ein Rückkaufprogramm über fast 1,6 Milliarden Euro abgeschlossen. Die Ankündigung von Aktienrückkäufen wird sonst oft mit einem steigenden Kurs belohnt.
Doch die Aussagen des Managements zu den Zinsgewinnen schienen Anleger zu verschrecken. Die jüngsten Zinserhöhungen durch die Zentralbanken seien offenbar zum Stillstand gekommen, sagte ING-Chef van Rijswijk. Nach einer langen Zeit der Negativzinsen hatten Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen in den vergangenen Jahren immer weiter angehoben, um die gestiegene Inflation in den Griff zu bekommen. Geschäftsbanken wie die ING profitierten davon kräftig.
Auch Anleger können inzwischen wieder höhere Zinsen für ihr Geld erhalten. Doch viele Banken geben das höhere Zinsniveau bisher nur zu Bruchteilen an sparende Kunden weiter. Je nach Entwicklung des Wettbewerbsumfelds könnten sich die Zinsmargen etwas verringern, sagte van Rijswijk.
Auf dem deutschen Markt hatte die ING im Frühjahr mit befristeten Zinsangeboten allerdings insgesamt Milliardensummen von Kunden auf ihre Tagesgeldkonten gelockt. Banken verdienen in diesem Geschäft an der Differenz zwischen den Zinsen, die sie für Kredite bekommen, und den Zinsen, die sie ihren Kunden für Kontoguthaben bezahlen.
Im dritten Quartal steigerte die ING ihre gesamten Erträge im Jahresvergleich um fast ein Drittel auf 5,8 Milliarden Euro. Dabei legte der Zinsüberschuss um fast ein Viertel auf gut vier Milliarden Euro zu. Experten hatten allerdings mit einem noch einen stärkeren Anstieg gerechnet. Andererseits legte die Bank nur 183 Millionen Euro für mögliche Kreditausfälle zurück - nicht einmal halb so viel wie ein Jahr zuvor und weniger als von Analysten erwartet.
In ihrem deutschen Privatkundengeschäft steigerte die ING ihre Erträge im Jahresvergleich um mehr als 60 Prozent auf 839 Millionen Euro. Der Überschuss sprang sogar um mehr als 75 Prozent auf 318 Millionen Euro nach oben.
Nachdem die Einlagen im deutschen Privatkundengeschäft infolge der vergleichsweise hohen Tagesgeldzinsen um mehr als 16 Milliarden Euro angeschwollen waren, zogen die Kunden im dritten Quartal unter dem Strich fast sechs Milliarden von den ING-Konten ab. Die ING erklärte die Entwicklung unter anderem mit dem härteren Zinswettbewerb unter den Banken.