FRANKFURT (dpa-AFX) - Der deutsche Aktienmarkt hat am Freitag erneut deutliche Kursabschläge erlitten. Für den Dax ging es letztlich um 1,44 Prozent auf 18 002,02 Punkte bergab. Damit hielt er sich denkbar knapp über der Marke von 18 000 Punkten, unter die er zeitweise erstmals seit 6 Wochen gerutscht war. Der Wochenverlust von 3 Prozent war der höchste seit August vergangenen Jahres.
Das charttechnische Bild verheißt nichts Gutes für die weitere Kursentwicklung. Denn mit dem Kursrückgang vor dem Wochenende bestätigte der Leitindex nicht nur den Vortagesrutsch unter die 21- und 50-Tage-Durchschnittslinien, die als Indikatoren für den kurz- bis mittelfristigen Trend gelten. Er kam auch der für die längerfristige Tendenz wichtigen 100-Tage-Linie, über der er sich seit November behauptet hatte, gefährlich nahe. Beim MDax mit den mittelgroßen deutschen Unternehmen zeigten die Kurstafeln zum Handelsende ein Tagesminus von 1,36 Prozent auf 25 719,43 Punkte an.
"Der Schock über das Ergebnis der Europawahl und die nun anstehenden Neuwahlen in Frankreich sitzt nicht nur an der Börse in Paris, sondern auch in Frankfurt tief", kommentierte Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets (LON:CMCX). Dazu belaste der mögliche Handelskonflikt mit China nach der Androhungen von Strafzöllen auf chinesische Elektrofahrzeuge. "Die nächste Woche dürfte damit ganz im Zeichen des Versuchs einer Stabilisierung stehen, mehr sollte in der aktuellen Situation nicht drin sein."
Pessimistisch zeigte sich auch Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets: "Aktuell ist die Chance für eine erfolgreiche Vorrunde der deutschen Fußball-Nationalmannschaft höher als für einen positiven Stimmungsumschwung an der Frankfurter Börse", urteilte er mit Verweis auf die an diesem Freitagabend beginnende Europameisterschaft. Auch angesichts der Zurückhaltung der US-Notenbank Fed mit Blick auf Zinssenkungen, der schon wieder erloschenen Zinsfantasie in Europa und der geopolitischen Krisenherde "gibt es derzeit nicht wirklich einen triftigen Grund, Aktien zu kaufen".
Das bekamen am Freitag auch andere europäische Handelsplätze zu spüren. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verabschiedete sich knapp 2 Prozent tiefer ins Wochenende. In Paris ging es noch deutlicher bergab, während London mit einem moderaten Minus davonkam. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial gab zum europäischen Börsenschluss etwas nach, während der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 ein knappes Plus schaffte.
Über die Aktien von Rheinmetall (ETR:RHMG) und andere deutsche Rüstungswerte schwappte wieder einmal eine Welle von Gewinnmitnahmen. Rheinmetall konnten die Kursverluste von zeitweise 9 Prozent zwar eindämmen und schlossen 5,3 Prozent tiefer, blieben damit aber einer der schwächsten Dax-Titel. Hensoldt (ETR:HAGG) im MDax und die in keinem wichtigen Index gelisteten Renk (ETR:R3NK) -Titel verloren am Ende jeweils noch 2,9 Prozent.
Die kaum veränderten Thyssenkrupp (ETR:TKAG) -Papiere zeigten sich bestenfalls stabilisiert nach dem gestrigen Fall auf ein Dreieinhalbjahrestief. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters verstärkt der US-Investor Carlyle seine Bemühungen um die Rüstungstochter Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Demnach könnte Carlyle die Mehrheit an TKMS erwerben und die deutsche Staatsbank KfW eine Sperrminorität. Thyssenkrupp würde dann nur noch eine Minderheitsbeteiligung halten.
Am Devisenmarkt sank der Euro zeitweise auf den tiefsten Stand seit Anfang Mai, konnte sich mit zuletzt 1,0695 Dollar aber etwas berappeln. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,0686 Dollar festgesetzt.
Am Rentenmarkt sank die Umlaufrendite von 2,61 Prozent am Vortag auf 2,44 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,91 Prozent auf 125,31 Punkte. Der Bund-Future zog um 0,88 Prozent auf 133,01 Zähler an.