Berlin (Reuters) - Die deutschen Autobauer sperren sich trotz des Drängens von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gegen die Hardware-Nachrüstung älterer Diesel-Autos.
Scheuers Ministerium legte am Freitag die technischen Vorschriften für die Nachrüstung fest, mit der Fahrverbote von Fahrzeugen mit "Euro-4"- und Euro-5"-Dieselmotoren vermieden werden sollen. "Jetzt ist die Nachrüstindustrie am Zug, wirksame Systeme zu entwickeln, mit denen alle Grenzwerte und Vorschriften eingehalten werden", sagte der CSU-Politiker. Die Autoindustrie will aber keine Gewährleistung für umgerüstete Diesel übernehmen. "Wir können keine Garantie für ein Fahrzeug übernehmen, in das nachträglich Abgasreinigungssysteme Dritter eingebaut wurden", sagte der Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, der Zeitung "Die Welt". Verbraucherschützer forderten von den Autobauern ein Ende ihrer Blockadehaltung.
Volkswagen (DE:VOWG) erklärte, der Autobauer könne eine Umrüstung von Diesel-Autos der Abgasnorm Euro 5 im Sinne der Kunden "weder befürworten noch dafür haften". Nicht alle Autos ließen sich wirklich nachrüsten, und nicht alle unterschritten dann einen Stickoxid-Richtwert von 270 Milligramm pro Kilometer, um von Fahrverboten in Großstädten ausgenommen zu werden. "Alle uns bisher bekannten Konzepte weisen Nachteile für unsere Kunden auf, etwa Mehrverbrauch und damit erhöhte CO2-Emission, zum Teil auch Leistungsreduzierung", warnte Entwicklungsvorstand Frank Welsch. BMW (DE:BMWG) halte Hardware-Nachrüstungen weiterhin für nicht zielführend, sagte ein Sprecher. Sie bedeuteten "generell mehr Gewicht, mehr Verbrauch und Auswirkungen auf die Leistung". Daimler (DE:DAIGn) teilte mit, man kenne die Vorschriften noch nicht.
Die Bundesregierung hatte zur Vermeidung von Fahrverboten in besonders belasteten Regionen Hardware-Nachrüstungen beschlossen. Die Sprecherin des Verkehrsministeriums sagte, die Haftungsfrage sei geklärt. "Wer die Nachrüstlösung anbietet, der haftet dann auch für das Nachrüst-Set." Die 30 Seiten umfassenden Richtlinien sollen Anfang Januar im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Sofern diese erfüllt seien, werde das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) schnellstmöglich Genehmigungen für Nachrüst-Systeme erteilen. Bisher lägen aber keine Anträge vor.
VERBRAUCHERSCHÜTZER FORDERN ENDE DER BLOCKADEHALTUNG
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) forderte die Autobauer auf, umgehend SCR-Katalysatoren zuzulassen und anzubieten und die Garantie darauf auszuweiten. Das Risiko dürfe nicht auf die Kunden abgewälzt werden. "Es kann nicht sein, dass die Unternehmen, die den Abgasskandal verursacht haben, eine Lösung für Menschen mit kleinem Geldbeutel blockieren, weil sie darauf keine Lust haben", sagte Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim VZBV, dem "Handelsblatt".
Von den Nachrüstern wird in der Richtlinie unter anderem eine Garantie verlangt, dass das System zur Abgasreinigung bis zu Temperaturen von minus sieben Grad funktioniert. Die Hersteller müssen zudem die Funktionsfähigkeit des Systems "über eine Kilometerleistung von 100.000 km oder eine Lebensdauer von bis zu fünf Jahren" gewährleisten. Außerdem dürfe sich durch den Einbau "keine Verschlechterung des Geräuschverhaltens" ergeben.
Hersteller von Katalysatoren halten die Nachrüstungen für machbar. Vorstandschef Marcus Hausser von der börsennotierten Baumot Group (DE:TINCk), zeigte sich zufrieden: "Die technischen Vorschriften für die Hardware-Nachrüstung sind wie erwartet und die Anforderungen an die Systeme im Rahmen des technisch Möglichen." Baumot habe bereits eine serienreife Lösung, die die Stickoxidemissionen auch in der Praxis um mehr als 90 Prozent reduzieren könne. Hubert Mangold vom Katalysatoren-Hersteller Oberland Mangold sagte, die Vorgaben seien sehr ambitioniert, aber erfüllbar. Der Katalysatoren-Zulieferer HJS Emission Technology fordert, die Hersteller bei der Finanzierung in die Pflicht zu nehmen. Ein VW-Sprecher entgegnete, der Autobauer könne die Entwicklungen der Nachrüster "aus haftungsrechtlichen Gründen" nicht unterstützen. Laut "Spiegel" verweigert der Konzern Herstellern von Katalysatoren die Übermittlung von Daten.
Der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer sagte Reuters, die Hersteller hätten mit der Gewährung von Kaufanreizen für den Austausch von Diesel-Fahrzeugen auf das falsche Pferd gesetzt. "Für die Autobauer wäre die Hardware-Nachrüstung sämtlicher Euro-5-Diesel billiger geworden als die hohen Diesel-Reparatur-Rabatte." Zudem hätten sie sich damit einen Imageschaden, den Kunden Ärger wegen des Wertverlusts und den Händlern Verluste erspart.