Aschheim, 22. Jun (Reuters) - In dem Skandal über die verschwundenen Wirecard-Milliarden meldet sich nun der Vorstand zu Wort. Die in der Bilanz des Zahlungsabwicklers Wirecard WDIG.DE fehlenden 1,9 Milliarden Euro würden mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht existieren, teilte das Unternehmen in einer Stellungnahme in der Nacht zum Montag mit. Das Unternehmen ziehe infolge der jüngsten Überprüfungen daher die vorläufigen Ergebnisse und Prognosen der Geschäftsjahre 2019 und 2020 zurück.
Die Gesellschaft ging bislang davon aus, dass die zugunsten von Wirecard ausgewiesenen Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro im Zusammenhang mit dem sogenannten Drittpartnergeschäft ("Third Party Acquiring") zugunsten der Gesellschaft bestünden und habe sie entsprechend in der Rechnungslegung als Aktivposten ausgewiesen. Wirecard ziehe daher die Einschätzung des vorläufigen Ergebnisses des Geschäftsjahres 2019, des vorläufigen Ergebnisses des ersten Quartals 2020, der EBITDA-Prognose für 2020 und der Vision 2025 zu Transaktionsvolumen, Umsatz und EBITDA zurück. "Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden", heißt es in der Mitteilung weiter. Es werde untersucht, ob, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang das Drittpartnergeschäft tatsächlich zugunsten der Gesellschaft geführt wurde.
Wirecard hatte am Donnerstag die Veröffentlichung des lange erwarteten Jahresabschlusses 2019 zum vierten Mal verschoben mit der Begründung, dass der Abschlussprüfer EY keine Hinweise auf die Existenz von Guthaben über 1,9 Milliarden Euro gefunden hat. Der Betrag entspricht rund einem Viertel der Bilanzsumme. Zuletzt wurde erfolglos auf den Philippinen nach den verschwundenen Wirecard-Milliarden gesucht.