FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach dem erneuten Dax-Rekord (DAX) gehen die Meinungen zur weiteren Richtung auseinander. Einige Börsianer trauen dem deutschen Leitindex dank guter Unternehmens- und Wirtschaftsnachrichten weitere Kursgewinne zu. Dagegen mahnen andere angesichts des schon guten Laufs vor der neuen Woche vor zu viel Euphorie.
"Eine starke Bilanzsaison, solide Konjunkturdaten und eine vorsichtige Europäische Zentralbank (EZB) - alles deutet auf eine Fortsetzung der Rally im Dax hin", erklärte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Handelshaus AxiTrader. Zudem dürfte sich der Druck auf den Euro (EU0009652759) noch verstärken.
Ebenfalls optimistisch ist Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets: "Es könnte jetzt schnell weiter nach oben gehen, denn das Umfeld stimmt. Nicht zu vergessen die Aussicht auf eine baldige Steuerreform in den USA, die die Wall Street auch in immer neue Höhen treibt."
Nachdem die EZB am Donnerstag eine Halbierung ihrer monatlichen Anleihekäufe und eine Verlängerung des Kaufprogramms angekündigt hatte, war die Gemeinschaftswährung deutlich abgerutscht. Dies kommt den hiesigen Exportunternehmen tendenziell zugute, da es ihre Produkte für Käufer außerhalb der Eurozone verbilligt.
Analyst Heinz-Gerd Sonnenschein von der Postbank verwies zudem darauf, dass bereits ein Fünftel der Unternehmen aus dem marktbreiten US-Index S&P 500 Quartalszahlen vorgelegt und die Markterwartungen zumeist übertroffen habe. Ähnlich äußerte sich der Experte Michael Bissinger von der DZ Bank.
Allerdings preisten der Dax und andere wichtige Aktienindizes bereits gute Unternehmenszahlen ein, wobei aus dem deutschen Leitindex erst wenige Quartalsberichte vorlägen, gab Sonnenschein zu bedenken. Er erinnerte an die deutlichen Kursgewinne seit Jahresbeginn sowohl für den Dax als auch für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50), den S&P 500 und den japanischen Topix. Daher erscheine das Potenzial für alle vier Börsenbarometer bis Silvester weitgehend ausgereizt.
Zumindest kurzfristig pessimistisch für einen weiteren Dax-Anstieg ist auch Chartexperte Christian Schmidt von der Landesbank Hessen-Thüringen. Mit den 13 249 Punkten, die der wichtigste deutsche Aktienindex vor dem Wochenende erreicht hat, notiere er knapp unter einer Marke, die im ersten Anlauf schwierig zu überwinden sein dürfte.
"Wir erleben derzeit einen der längsten Konjunktur- und Aktienmarktaufschwünge der Wirtschaftsgeschichte", schrieb DZ-Analyst Bissinger. Viele Anleger hielten nun eine Krise für überfällig, und die Märkten zeigten Merkmale einer typischen Hausse-Endphase wie die zahlreichen Fusionen und Übernahmen sowie hohe Bewertungen amerikanischer Technologietitel.
Aber dennoch blieben die Rahmenbedingungen gut, betonte Bissinger. Frühindikatoren deuteten auf eine erfreuliche Konjunkturentwicklung und damit steigende Unternehmensgewinne hin. Gleichzeitig dürften "die Notenbanken die expansive Geldpolitik nur langsam zurückfahren, so dass die Alternativen zu Aktien gering bleiben".
Zu Beginn der neuen Woche dürfte das Geschehen am deutschen Aktienmarkt noch übersichtlich bleiben: Mit dem Großküchengeräte-Hersteller Rational (0:RAAd), dem Bausoftware-Spezialisten Rib Software (4:RIB) und dem Finanzdienstleister Hypoport haben lediglich einige Unternehmen aus der zweiten Börsenreihe Quartalszahlen angekündigt. Tags darauf berichtet der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus (9:AIR) über seine Geschäftsentwicklung - an der Börse in Frankfurt wird dann allerdings wegen des Reformationsfeiertags nicht gehandelt.
Ebenfalls am Dienstag steht der Zinsentscheid der Bank of Japan an. Zur Wochenmitte zieht die US-Notenbank Fed nach. Volkswirt Lucas Kramer von der Postbank rechnet allerdings nicht mit wegweisenden Entscheidungen, nachdem Amerikas Währungshüter erst im Oktober den Abbau ihrer Bilanzsumme eingeleitet hätten - eine weitere Zinsanhebung sei erst im Dezember zu erwarten. Dagegen dürfte die Bank of England bereits auf ihrer Sitzung am Donnerstag ihre Geldpolitik straffen, so Kramer weiter.
Mehr Dynamik ist erst am Donnerstag zu erwarten, wenn mit dem Medizinkonzern Fresenius (4:FREG) und seiner Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) (4:FMEG) zwei Dax-Konzerne Zahlen vorlegen - dazu kommen die Quartalsberichte des Flughafenbetreibers Fraport (4:FRAG), der Optikerkette Fielmann (112:FIEG), des Modeunternehmens Hugo Boss (4:BOSSn) und des Sicherheits- und Medizintechnikanbieters Drägerwerk (4:DRWG_p).
Vor dem Wochenende stehen dann noch die Resultate des Spezialchemiekonzerns Evonik (4:EVKn), des Maschinenbauers Gea (4:G1AG) und des Immobilienunternehmens Dic Asset (4:DICn) auf der Agenda. Im Fokus sollte am Freitag aber vor allem der US-Arbeitsmarktbericht für den Oktober stehen, von dem Postbank-Ökonom Krämer nach dem Hurrikan-bedingten Einbruch im Vormonat wieder einen Stellenaufbau erwartet.