* Wendt: Politik spielt Vorfälle in Asyl-Unterkünften herunter
* Gewerkschaftschef: Aussagen zu sexuellen Übergriffen zynisch
- von Thorsten Severin
Berlin, 06. Okt (Reuters) - Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, wirft der Politik vor, Berichte über Gewalt und sexuelle Übergriffe in Asyl-Unterkünften herunterzuspielen. "Mein Eindruck ist, dass insbesondere in den Ländern viel verharmlost wird", sagte Wendt am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Die Lage- und Ereignisberichte der Polizei sprächen eine eindeutige Sprache. Es sei zwar verständlich, dass die Politik versuche, die Lage zu beruhigen. "Aber da ist schon viel Verniedlichung dabei", monierte Wendt.
Wenn Polizisten nachts auf der Straße stünden und beispielsweise Syrer und Afghanen aufeinander einschlügen, habe das "nichts mit Gerüchten zu tun", sagte Wendt. "Die Innenminister wären gut beraten, mal ihre eigenen Lageberichte zu lesen."
Der Gewerkschaftschef bezeichnete Äußerungen von Politikern als zynisch, bei sexuellen Übergriffen gegen Frauen und Mädchen in den Heimen handele es sich um Einzelfälle. Auch unter normalen Umständen gebe es bei diesen Delikten eine hohe Dunkelziffer, weil Frauen den Weg zu Polizei und Staatsanwaltschaft scheuten. Bei weiblichen Flüchtlingen komme womöglich hinzu, dass in ihren Herkunftsländern solche Straftaten meist nicht angezeigt würden. Wichtig sei, dass es für die Frauen eine Beratung gebe, in der sie Vertrauen zu unabhängigen Personen gewinnen könnten.
Innenminister Thomas de Maiziere hat vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge gewarnt. Es gebe in dem Feld "unglaublich viele Gerüchte", die sich massiv über soziale Netzwerke verbreiteten. Die Landesbehörden gingen diesen entschlossen nach: "Sehr oft sind die Gerüchte nicht wahr." Unlängst hatten angebliche sexuelle Missbrauchsfälle in einer hessischen Erstaufnahmeeinrichtung bundesweit für Aufsehen gesorgt. Viele der Fälle sahen die Behörden aber nicht als belegt an. Eine Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Hessen betonte jedoch: "Wir haben zahlreiche glaubhafte Berichte über sexualisierte Gewalt und Übergriffe." Wendt sagte, er könne sich nicht vorstellen, "dass verantwortungsbewusste Frauenverbände wie etwa in Hessen, sich das einfach aus den Fingern saugen". (redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 069-7565 1312 oder 030-2888 5168.)