Anhaltende politische Schwebe macht Devisenhändlern das Leben zur Hölle

Veröffentlicht am 04.06.2019, 09:52
Aktualisiert 02.09.2020, 08:05
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Das Pfund behauptete sich, als der Termin für den Brexit vom 29. März heranrückte und die Devisenhändler klammerten sich an die Hoffnung, dass die Vernunft siegen und eine lange Übergangsphase den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vereinfachen würde. Selbst als die Frist um zwei Wochen auf den 12. April verlängert wurde, behielten die Händler die Nerven.

Aber die nachfolgende Verschiebung auf den 31. Oktober ging zu weit. Das Pfund befindet sich seither im Tiefflug, als die Chancen auf eine Einigung schwinden. Vielleicht bedeutsamer, sechs Monate scheinen ein längerer Zeithorizont zu sein, als die Händler bereit sind zu akzeptieren. Das Pfund bewegt sich zum Dollar jetzt auf 1,26, nach 1,32 im März und 1,30 im April.

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Beim Euro sah es ebenfalls ziemlich ruhig aus, als die Märkte die Wahlen zum Europaparlament abwarteten, um einen Eindruck zu bekommen, wohin die EU geht mit ihrer kompletten Umbesetzung der Führung. Der befürchtete Ruck nach rechts blieb aus, aber die etablierten Parteien der gemäßigten Rechten und Linken konnte nicht die Mehrheit erlangen, die es ihnen erlaubt hätten, allein zu agieren.

Das ließ den Ausgang des Gefeilsches um die überragend wichtige Präsidentschaft der Europäischen Kommission unklar werden und machte die künftige Besetzung der Führungspositionen unvorhersehbar, wie auch wer die neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Rats werden sollen.

EURUSD 2015-2019

Die Gemeinschaftswährung ist mittlerweile gegenüber dem Dollar auf unter 1,13 gefallen. Zum Vergleich, ihr 12-Monatshoch liegt bei 1,18.

Kurz gesagt, die tiefgehende politische Lähmung hat eine Situation geschaffen, in der Investoren sich auf Antworten auf fundamentale Fragen darüber gedulden müssen, wohin es mit zwei der Leitwährungen der Welt, dem Pfund und dem Euro, gehen wird. Es ist ein politischer Schwebezustand, der den Handel mit Devisen schwieriger als üblich macht.

Unterdessen hat US-Präsident Donald Trump neue Zölle angedroht—gegen China, gegen die Europäische Union und ganz neu, jetzt auch gegen Mexiko. So pervers das scheinen mag, die damit geschaffene Verunsicherung ist dem Dollar zugute gekommen, als die Investoren in Sicherheit flüchteten und US-Staatsanleihen kauften, ohne Zeit darauf zu verwenden ihr Investment abzusichern, was die US-Währung hochtrieb. Der Dollarindex befindet sich mittlerweile mit sicherem über 97, während er im vergangenen Herbst noch bei rund 93 gelegen hatte.

In dieser Woche hat Trump seine Elefant-im-Porzellanladen Show nach Großbritannien gebracht und die hartleibigen Brexit-Befürworter Boris Johnson und Nigel Farage zu seinen Lieblingsbriten erklärt und kein Blatt vor den Mund genommen, dass er glaubt, ein Brexit ohne Übergangsabkommen könnte eine gute Sache sein. Und in der Tat sieht es immer mehr danach aus, als sei Boris Johnsons Augenblick an der Sonne gekommen, als er die Konservativen zu einer härteren Haltung zum Austritt im Oktober hinüberzieht, ob bis dahin eine Einigung erreicht ist oder nicht.

Die Mitglieder der Partei sind eher euroskeptisch und werden das letzte Wort haben. Aber sie werden nicht vor der zweiten Julihälfte abstimmen, was mehrere lange Wochen für einen Devisenmarkt sind, der beginnen wird, einen no-deal Brexit in das Pfund einzupreisen.

Die Europäische Union ist bestimmt in keiner Position von ihrer Haltung abzugehen, dass sie keine substanziellen Veränderungen an dem Deal vornehmen wird, den die scheidende Premierministerin Theresa May abgeschlossen hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte bislang ohne großen Widerstand die EU-Politik und das Personal diktieren, aber das schlechte Abschneiden der Regierungsparteien bei den Europawahlen hat nicht nur ihren bevorzugten Kandidaten zum Kommissionspräsidenten Manfred Weber von der CSU geschwächt, sonder auch die Sozialdemokraten und damit ihre große Koalition in komplettes Chaos gestürzt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron bekämpft die Festschreibung des SpitzenkandidatenModells zur Auswahl des Kommissionspräsidenten mit dem Argument, dass die Verträge diese Entscheidung den nationalen Staatschefs überlassen. Im Gegensatz dazu wird ein Spitzenkandidat von jeder der politischen Parteien in der EU aufgestellt und die mit den meisten Stimmen bestimmt dann automatisch den Kommissionpräsidenten.

Der erste und vielleicht einzige Mal, an dem dieses Modell zum Zug kam, waren die Europawahlen von 2014, als Jean-Claude Juncker die Europäische Volkspartei zum Sieg führte und sich selbst zum Chef der Exekutive machte. Macron argumentiert, dass diese Methode niemals besonders viel Glaubwürdigkeit hatte und jetzt noch weniger, angesichts des schwachen Abschneidens der EVP bei den Wahlen in diesem Jahr, auch wenn sie erneut die meisten Stimmen bekam.

Die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die eine gewisse Berühmtheit damit erlangte, dass sie gewaltige Bußgelder gegen Apple (NASDAQ:AAPL) und Google (NASDAQ:GOOGL) verhängte, fährt eine starke Kampagne für den Spitzenposten in der Kommission. Sie gehört dergleichen Allianz (DE:ALVG) der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) wie Macrons Die Republik in Bewegung! Partei und könnte seine Unterstützung bekommen, um die erste Frau an der Spitze der Kommission zu werden. ALDE bestimmte keinen einzelnen Spitzenkandidaten sondern ein Team aus sieben, dem Vestager angehört.

Sollte Vestager oder jemand anderes Manfred Weber, Merkels Mann für die EU-Spitze, verhindern, dann würde dies den Weg für Bundesbankpräsident Jens Weidmann freimachen, dem Italiener Mario Draghi in der Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank zu beerben—ein Ausgang mit schweren Konsequenzen für die Geldpolitik in der Eurozone. Weidmann hat sich Daghis Politik des offenen Geldhahns immer wieder widersetzt und von Tiefstzinsen zum Kaufprogramm für Wertanlagen alle derartigen Maßnahmen abgelehnt.

Der Weg zu EZB-Präsidentschaft schien Weidmann verwehrt, solange Weber sich anschickte, Kommissionspräsident zu werden. Sollte Weber nicht den Zuschlag erhalten, dann wird es schwer werden Deutschland und Weidmann den EZB-Spitzenposten vorzuenthalten. Sein Amtsantritt würde das Bild für Devisenhändler ändern, wobei die Richtung allerdings von ihrer Sicht abhängt, wie Deutschlands relative Starrheit in geldpolitischen Fragen die Zentralbankpolitik beeinflussen würde.

Der gegenwärtige EU-Ratspräsident Donald Tusk hofft, dass das Gefeilsche um die Spitzenjobs bis Ende dieses Monats vorüber ist, auch wenn das angesichts der Reibereien etwas optimistisch erscheint. Und natürlich dürfte dies mehr Schwebe, mehr Zeit in der Hölle bedeuten.

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