- Märkte erachten eine Zinserhöhung als vom Tisch und suchen nach Andeutungen für August
- Es wird damit gerechnet, dass die Notenbanker bestätigen werden, dass die Wachstumsschwäche im Q1 nur temporär war
- Das Risiko könnte eher auf der Seite einer härteren Linie in der Geldpolitik liegen
- Kommentare vom britischen Notenbankgouverneur Carney könnten die eigentliche Zinsentscheidung in den Schatten stellen.
- Politische Spannungen über den Brexit könnten dem Pfund die Show stehlen
Die Bank von England wird auf ihrer geldpolitischen Sitzung am Donnerstag nicht von ihrem derzeitigen Leitzins von 0,50% abrücken, so sehen es zumindest die Märkte. Aber das Protokoll der Sitzung könnte der Schlüssel für Wetten auf eine Zinserhöhung im August sein, deren Chancen derzeit bei 50/50 gesehen.
Keiner der 63 von Reuters befragten Ökonomen erwartet für die Sitzung am Donnerstag eine Zinserhöhung, womit das Ereignis weit entfernt ist, ein Interesse wie in der letzten Woche zu generieren, als zwei große Zentralbanken mit unerwarteten Neuigkeiten aufwarteten: die Federal Reserve legte den Schalter um und erhöhte ihren Ausblick auf vier Zinserhöhungen in 2018 von bisher drei; am folgenden Tag kündigte die Europäische Zentralbank einen weiteren Rückbau ihre Wertpapierkaufprogramms an und setzte die Einstellung der Käufe auf das Jahresende an. Allerdings machte sie auch klar, sie habe die Absicht, die Zinssätze bis weit ins Jahr 2019 stehenzulassen.
Während für diese Sitzung mit keiner Änderung gerechnet wird, erwarten 55% der von Bloomberg befragten Analysten eine Zinserhöhung im August, weniger als noch im Mai, als 60% davon ausgingen. Jegliche Hinweise, was die BoE für August geplant hat, dürften daher für die Händler von überragender Wichtigkeit sein.
Bestätigung des Wachstumsausblicks könnte mehr Falken bringen
Auf ihrer letzten Sitzung im Mai nahm die BoE die schwachen Wachstumsdaten für das erste Quartal zur Kenntnis und obwohl der geldpolitische Ausschuss (Monetary Policy Committee, MPC) suggerierte, dass diese wahrscheinlich nur temporär seien, das Ergebnis von schlechtem Wetter, ließen die Notenbanker durchblicken, sie wollten diese Interpretation bestätigt wissen, bevor sie mit der Straffung der Geldpolitik fortfahren.
Die seit dieser Sitzung hereingekommen Daten vom zweiten Quartal waren gemischt: im April gab es schwache Zahlen vom produzierenden Gewerbe, vom Außenhandel und von der Lohnentwicklung, aber der Dienstleistungssektor zeigte sich solide, während die Einzelhandelsumsätze sowohl im April als auch im Mai stark waren. Trotz der zweideutigen Daten sagte der Vizegouverneur der Notenbank Dave Ramsden in diesem Monat, dass die Annahme, die Schwäche im ersten Quartal sei nur eine temporäre Erscheinung gewesen, sich bestätigt habe.
“Die Daten, die wir bisher bekommen haben, suggerieren, dass unsere Interpretation der Verlangsamung im Q1 als temporär korrekt gewesen ist.” sagte er auf der Barclays Inflation Conference am 7. Juni.
Damals im Mai hatte die BoE klargemacht, dass sollte sich die Datenschwäche des ersten Quartal als kurzlebig erweisen, dann sei der Weg zu einem weiteren Abbau des geldpolitischen Stimulus frei. "Die beste kollektive Einschätzung des Ausschusses bleibt daher, dass sollte sich die Konjunktur im Groben und Ganzen auf Linie der Prognosen im Inflationsbericht vom Mai entwickeln, eine Fortsetzung der Straffung der Geldpolitik im Vorhersagezeitraum das Richtige wäre, um die Inflation nachhaltige auf ihren Zielwert zurückzuführen.” sagte das Protokoll der letzten Sitzung.
Wenn also Ramsden—generell als einer größten Befürworter einer lockeren Geldpolitik in der BoE angesehen—sich einigermaßen sicher ist, dass die Dinge zurück ins Lot gekommen sind, dann würden die Märkte gut daran tun, sich dafür zu interessieren, wie das Stimmverhalten bei der Abstimmung zu einer Zinserhöhung ausfällt.
Im Mai favorisierten nur zwei der MPC-Mitglieder—Ian McCafferty und Michael Saunders—eine Zinserhöhung, wie sie es in jeder Sitzung sei März taten. Auch wenn der Konsens ist, dass sich nichts ändern wird, mit sieben Mitgliedern für eine Beibehaltung des derzeitigen Niveaus von 0,50% und den zwei erwähnten Ausschussmitgliedern für eine Anhebung, so könnte es doch einige Chancen geben, dass ein anderes Mitglied sich für Zinserhöhungen entscheidet.
Auch wenn die Sitzung am Donnerstag keine Überraschungen verspricht, könnte dies die Stimmverteilung auf 6-3 bringen. Aber eine vorsichtige Haltung würde nahelegen, dass die Notenbanker lieber bis August warten wollen, da sie dann die vorläufigen Wachstumszahlen vom zweiten Quartal haben begleitet von neuen Konjunkturprognosen, die der Sitzung zusätzliches Gewicht geben könnten.
Aber auch ohne eine Verschiebung des Stimmverhaltens, die Sprache im gegenwärtigen Wachstumsausblick des Protokolls, sollte einige Aufschlüsse geben, wo die Notenbanker derzeit stehen.
Carney könnte die Entscheidung selbst bekanntgeben
Die Unbekannte bei dieser Zinsentscheidung könnte Mark Carney selbst sein. Auch wenn für diese Sitzung keine Pressekonferenz vorgesehen ist, wird Carney seine jährliche Rede im Manor House in London am Donnerstag um 22:15 MEZ halten. Im Juni 2017 hatte Carney das Ereignis benutzt um seine Ansicht auszudrücken, dass das Vereinigte Königreich noch nicht bereit für höhere Zinsen sei.
“In den kommenden Monaten würde ich gerne sehen, in welchem Umfang das schwächere Wachstum des Konsums von anderen Nachfragekomponenten ausgeglichen wird, ob die Löhne beginnen zu steigen und ganz allgemein, wie die Wirtschaft auf die Aussicht auf knappere Finanzen und die Wirklichkeit der Brexit-Verhandlungen reagieren wird.” erklärte Carney nur eine Woche nachdem die BoE mit 5-3 Stimmen für ein Stehenlassen der Zinsen gestimmt hatte.
Die Händler werden äußerst gespannt sein, ob der Bankchef diesmal zusätzliche Klarheit zur Botschaft im Protokoll bringen wird.
Unsicherheit durch Brexit bleibt
Mit nur vier Monaten bis zum Ablauf der selbstgesetzten Frist für Diskussionen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union über den Austritt der Königreichs aus dem Wirtschaftsblock, sollten die Verhandlungen langsam ihrem Ende zugehen. Das würde beiden Seiten genügend Zeit geben, um die Zustimmung der Parlamente für die endgültigen Vereinbarung zu erhalten.
Auch wenn man den Umstand ignoriert, dass der nächste Gipfel zwischen Großbritannien und der EU für Ende des Monats angesetzt ist, scheinen die Fortschritte in dieser Woche zu einem Thema der britischen Innenpolitik zu werden, als die Premierministerin Theresa May mit Politikern darüber ringt, was diese eine “aussagekräftige Abstimmung” halten. Im Wesentlichen fordern die britischen Parlamentarier das Recht zu entscheiden was passiert, sollten sie gegen das Abkommen stimmen.
Das Protokoll der BoE vom letzten Monat wiederholte, dass die Unsicherheiten durch den Brexit die Investitionstätigkeit der Unternehmen belasten und bezog sich dabei auf “die außerordentlichen Umstände durch den Brexit”. Kaum etwas hat sich seitdem geändert, aber käme nicht völlig unerwartet, wenn der MPC auf den erhöhten Grad von Unsicherheit durch die jüngsten politischen Spannungen in Großbritannien Bezug nehmen würde.
In jedem Fall ist es unwahrscheinlich, dass die anhaltende Unsicherheit an diesem Punkt die BoE beeinflussen würde. Der Einfluss auf die Gesamtwirtschaft durch die Unsicherheit, um nicht zu sagen durch den Deal selbst, bleibt bestenfalls ein Ratespiel.
Wird das Pfund weiter in der Brexit-Depression versinken?
Der USD/GBP Kurs hat eine Phase des starken Verkaufsdrucks durchgemacht, die bis zum April zurückreicht. Schlechte Daten haben die Erwartungen gemindert, dass die BoE mit ihrer graduellen Anhebung der Zinssätze fortfahren werde und die Märkte haben in der Folge ihre Wetten auf weitere Zinserhöhungen reduziert.
Wären die Bedingungen normal, dann würde die Vernunft diktieren, dass das Pfund vom kleinsten Hinweis der BoE gestützt würde, dass die Schwäche des ersten Quartals Geschichte ist und dass eine weitere Bestätigung des Wirtschaftswachstums den Weg für künftige Anhebungen "mit einem graduellem Tempo und in begrenztem Ausmaß” freimachen würde. Aber die politischen Verwerfungen rund um die "aussagekräftige Abstimmung" zum Brexit bestimmt das Bild vollkommen und hat das Pfund auf ein Siebenmonatstief gegenüber dem Dollar gehämmert, als es die Aufmerksamkeit der Händler vollständig auf sich zog und den Eindruck hinterließ, die Märkte hätten völlig vergessen, dass am Donnerstag eine geldpolitische Entscheidung ansteht.
Sollte es keinen “aussagekräftigen” Hinweis auf eine weitere Straffung der Geldpolitik, in dem Abstimmungsverhalten, im Protokoll oder in Carneys eigener Rede im Manor House neun Stunden nach der Entscheidung, dann dürfte das Pfund keine Erleichterung von seiner jetzigen Brexit-Depression bekommen.